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Was will Rob? Nachtrag zur Sterbehilfe Nr. 9

»Soylent« wie »nicht allein«: Partnersuche über Spiegel online

Der junge Mann sagt, er habe keine Lust zu essen. Er leidet aber nicht an Bulimie. Als ernährungswissenschaftlicher Autodidakt hat er sogar künstliche Nahrung entwickelt, die es ihm erlaubt, nur noch zweimal pro Woche konventionell essen zu müssen. Er hat seine Ernährung aller Sinnenfreude entkleidet und sie auf ein beigefarbenes Getränk (»Soylent«) mit dem physiologisch Notwendigen reduziert. Rob Rhinehart sieht nicht krank aus. Er vermarktet sein Wissen weltweit, ohne es zu verkaufen. Die Erfindung des 24jährigen Softwareentwicklers aus Atlanta hat sich bis zum Hamburger Hafen herumgesprochen. Dort hat Spiegel online eine Story daraus gemacht: »Pulver statt Burger. Der Mann, der aufhörte zu essen«. Die Wissenschaftsjournalistin Irene Berres glaubt, dass Rob vor einer Gesellschaft fliehe, »die Essen zur Lebensphilosophie gemacht hat«.

Ich glaube nicht, dass Rob die Gesellschaft flieht. Davon ist in seinem Blog nicht die Rede: »I just want to be in good health and spend as little time and money on food as possible.« Ihm geht es um energetische Effizienz: »Food is the fossil fuel of human energy. […] I want to […] spend less energy getting energy.« Gerade deshalb hat mich frühzeitig der beträchtliche Aufwand stutzig gemacht, den ein Mann betreibt, um sich das Einkaufen und Kochen zu ersparen. Irene Berres hat selbst, ohne es zu merken, den entscheidenden Hinweis geliefert: Rob Rhinehart, so schreibt sie am Ende ihres Beitrags, »könne sich schon vorstellen, in Zukunft wieder häufiger essen zu gehen. Wenn er mehr Geld habe – oder eine Freundin.« Rob flieht nicht, Rob sucht Gesellschaft.

Im Unterschied zu »Soylent Green« hat »Soylent« nichts mit Menschenfleisch zu tun, wohl aber etwas mit Menschen – und mit Liebe. »Pulver statt Burger«, ja, das stimmt schon. Aber es geht um mehr. »Soylent« ist ein akronymes Anagramm von »not solely«. Rob will nicht nicht essen, sondern nur nicht allein und nicht billig. Wer allein lebt, ist bekanntlich in größerer Gefahr, sich schlecht zu ernähren. Rob hat sich so intensiv auf die »reine« Zufuhr des Notwendigen konzentriert, dass er als Nebenertrag seiner Forschungstätigkeit eine extragroße und recht außergewöhnliche Kontaktanzeige posten kann, die sogar von Spiegel online kostenlos verbreitet wird.

Natürlich hätte er auch Astronautennahrung kaufen können. Sie hätte ihm aber nichts genutzt. Nicht nur, weil sie vermutlich zu teuer ist. Seine Tube hätte niemanden interessiert. Rob sucht doch eine Frau. Um eine zu finden, rechnet er der ganzen Welt vor, wieviel Energie er verbrennt, um sich für die Gesuchte am Leben zu erhalten. Das ist sein Weg, sich als lebenstüchtiger und sparsamer Hausvater zu empfehlen. Ich finde das sehr intelligent. Effektiver kann man interkontinentale Aufmerksamkeit nicht generieren. Ich drücke Rhinehart die Daumen, dass er fündig wird.

Bleibt nur zu hoffen, dass die Angesprochenen seine Botschaft richtig verstehen. Bei Spiegel online scheint das leider nicht der Fall zu sein. Es lohnt sich eben, sehr genau hinzuhören, wenn einer kommt und sagt, was er will und was nicht. Das gilt nicht nur für die Bitte um Sterbehilfe.

Soylent Green. Nachtrag zur Sterbehilfe Nr. 5

Für den leider unwahrscheinlichen Fall, dass keine Euthanasiestationen wie in dem Film Soylent Green entstehen und sich die hier vorgebrachten Warnungen in Sachen Sterbehilfe als utopisch (dystopisch) erweisen sollten: Die Tatsache, dass der Geist der Sterbehilfe der Feind des Wahren, Schönen und Guten ist, ist keine Utopie (Dystopie).