Die Entdeckung des Eigenen » Sozialpolitik http://www.die-entdeckung-des-eigenen.de Ein Logbuch – für das Wahre, Schöne und Gute. Gegen künstliche Probleme. Mon, 17 Mar 2014 12:11:01 +0000 de-DE hourly 1 http://wordpress.org/?v=3.9.2 Die Diktatur der Konfusion http://www.die-entdeckung-des-eigenen.de/2013/04/22/die-diktatur-der-konfusion/ http://www.die-entdeckung-des-eigenen.de/2013/04/22/die-diktatur-der-konfusion/#comments Mon, 22 Apr 2013 20:52:28 +0000 http://www.die-entdeckung-des-eigenen.de/?p=1896 Wer daran erinnert, was Kinder brauchen, ist noch lange nicht homophob.
Zehn Thesen gegen die Homo-Ehe von Bertrand VERGELY

Vorbemerkung von Andreas Lombard

Wenn zur Zeit darüber berichtet wird, dass die Einführung der Homo-Ehe die Bevölkerung Frankreichs in zwei gleich große Hälften spalte – die eine dafür, die andere dagegen (mit einer geschätzten Million Demonstranten) –, dann könnte der Eindruck entstehen, als ob dies in Deutschland anders wäre. Ich glaube aber, dass auch bei uns mindestens die Hälfte der Bevölkerung gegen die Homo-Ehe ist, wenngleich das weder offiziell festgestellt noch mitgeteilt, sondern von ihren Befürwortern zum Horrorszenario erklärt wird. Unter der Herrschaft des Skandals bleibt der wahre Skandal verborgen. Die Leidtragenden der Homo-Ehe in Verbindung mit einem »Recht auf Kinder« (das es bislang für niemanden gibt!) sind – Kinder. Kinder, denen die gemeinsame Aufzucht durch Vater und Mutter verweigert wird. Gewiss, es gibt Scheidungen, und es gibt Kuckuckskinder. So etwas kommt vor. Das Fehlen eines Elternteils aber planmäßig in die Wege zu leiten, ist ein Verbrechen am Kind, und es wird ihm schwere seelische Schäden zufügen.Die Gegnerschaft wird umso stärker werden, je deutlicher sich diese Folgen zeigen und – je mehr Immigration Europa zulässt. Denn bemerkenswerter Weise haben sich in Frankreich die Vertreter der jüdischen Gemeinde und der Muslime auf die Seite der Gegner des Gesetzes gestellt. Das heißt, dass sich die politischen Kräfteverhältnisse gerade neu formieren. Den Ausgang der letzten Abstimmung in der Nationalversammlung im Rahmen der zweiten Lesung des Gesetzes am Dienstag, dem 23. April, wird die Gegenbewegung zwar kaum zu ihren Gunsten beeinflussen können. Aber der Widerstand insbesondere friedlicher, junger Leute, die sich »Les veilleurs« (Die Wächter) nennen, nimmt zu. Dass es bei dem auch heftigen Widerstand in Frankreich nicht zwingend um die notorisch unterstellte Homosexuellenfeindlichkeit geht und dass sich der Widerstand auf gewichtige naturrechtliche Argumente beruft, um lediglich die Ungerechtigkeiten und Unmenschlichkeiten eines überzogenen Gleichstellungsdenkens anzuprangern, das belegt der folgende Beitrag, der seit dem 14. Januar in zahlreichen französischen Internetforen erschienen ist. Sein Autor Bertrand Vergely, geb. 1953, ist französischer Philosoph und Theologe. Er ist Absolvent der »Ecole normal supérieure« von Saint-Cloud. Vergely lehrt am »Institut d’Etudes politiques«, am »Institut de théologie orthodoxe Saint-Serge« und am »Lycée Pothier«. Wir danken dem Autor für die freundlich erteilte Genehmigung, seinen Text auf D.E.d.E. zu publizieren.

 

Die Diktatur der Konfusion

1.
Es kommt darauf an, zwischen der Frage der Homosexualität und der Frage der sogenannten Homo-Ehe zu unterscheiden. Homosexualität gehört in die Sphäre des Privaten und Individuellen. Es gibt in der Gesellschaft Menschen, deren Zuneigung sich auf Menschen gleichen Geschlechts bezieht. Warum ist das so? Wir wissen es nicht und werden es wegen der Vielzahl der möglichen Gründe wohl niemals wissen. Nichtsdestotrotz handelt es sich um einen Tatbestand, den die Gesellschaft anerkennen muss, indem sie den Homosexuellen die gleichen Rechte auf Schutz ihrer Privatsphäre zugesteht wie jedem anderen Bürger.

2.
Im Gegensatz dazu betrifft die Einführung der Homo-Ehe alle. Denn hiermit soll eine bislang gültige Norm ein für alle Mal abgelöst und eine neue Norm für Familie, Abstammung und Weitergabe des Lebens etabliert werden.

3.
Die Ehe ist in ihrem Ursprung eine natürliche Gegebenheit. In ihr vereinen sich ein Mann und eine Frau und zeugen gemeinsame Kinder. Indem Gesellschaft und Staat diese Ehe als Institution etablieren, schaffen sie nur einen rechtlichen Rahmen, um jene naturgemäße Grundlage zu schützen.

4.
Es deutet derzeit viel darauf hin, dass Ehe, Abstammung und Weitergabe des Lebens ihre Bedeutung verändern. Die Weitergabe des Lebens soll nicht mehr als der hauptsächliche Sinn der Ehe verstanden werden. Statt der Zeugung von Kindern soll vielmehr das »Gefühl« zu ihrer Grundlage werden. Ebenso scheint auch die Bedeutung eines Kindes nicht mehr vorrangig darin zu liegen, Frucht der Verbindung eines Paares zu sein. Immer öfter kommt es zur »Nachfrage nach Kindern«, etwa als Wunsch nach Adoption durch Einzelstehende oder nach künstlicher Befruchtung von zeugungsunfähigen Paaren. Somit stellt sich eine Frage, die alle betrifft, Hetero- ebenso wie Homosexuelle, nämlich, ob das »Gefühl« die einzige Grundlage der Ehe darstellen soll, und ob der Wunsch nach einem Kind, von wem auch immer geäußert, den einzigen Grund für seine Existenz bilden kann. Anders gefragt, soll das, was in der Lebenspraxis zunehmend um sich greift, zur verbindlichen Norm werden?

Wer dies bejaht, muss sich darüber im Klaren sein, dass dann auch kein formeller Widerspruch etwa gegen eine Aufhebung des Inzestverbotes möglich wäre. Wenn das »Gefühl« unabhängig von allen natürlichen Gegebenheiten normbildend wird, dann wird in seinem Namen ein Vater fordern können, seine Tochter oder gar seinen Sohn; eine Mutter, ihren Sohn oder ihre Tochter; eine Schwester, ihren Bruder oder ihre Schwester; und ein Bruder, seine Schwester oder seinen Bruder heiraten zu dürfen. In einem solchen Fall, wo das Gefühl als Grundlage eines Rechtes jenseits der natürlichen Realität gesetzt wurde, wird bald niemand mehr wissen, wer er im Hinblick auf den anderen ist. Schwerwiegende Identitätskrisen werden die leicht vorhersehbare Folge sein. Die krankhaften Tendenzen eines hedonistischen Individualismus, für den die Realität nicht existiert und nicht mehr existieren darf, werden sich dramatisch verstärken. Wenn der Vater auch Liebhaber der Tochter, die Mutter auch Geliebte des Sohnes sein kann, wird der gängige Begriff der Familie absurd und die erzieherische Autorität der Eltern eliminiert. Die Familie explodiert sozusagen.

Wenn nun aber das Inzestverbot fiele, dann würde das auch die Zukunft des Menschen an sich bedrohen. Denn dieses Verbot erinnert an nichts Geringeres, als dass der Mensch sich selbst durch die Ehe und die Weitergabe des Lebens entfaltet und fortzeugt, nämlich, indem er sich an einen anderen bindet, der eben nicht derselben Familie entstammt und nicht demselben Geschlecht angehört, und dass es eben seine Bestimmung ist, nicht auf seine eigene Familie und sein eigenes Geschlecht beschränkt zu bleiben.

In dieser Perspektive lastet auf dem Gesetzgeber im Fall der Regelungen zur Homo-Ehe eine besonders große Verantwortung. Beschließt er, aus der Ehe eine Rechtsangelegenheit auf der Basis des Gefühls und unabhängig von allen natürlichen Gegebenheiten zu machen, ebnet er dem Ruin der psychischen Identität des Menschen, dem Ruin seiner Familie und seiner Zukunft den Weg.

5.
Jenseits dieser Fragen, die alle betreffen, Hetero- ebenso wie Homosexuelle, wirft die Homo-Ehe eine Reihe weiterer spezifischer Fragen auf, die sehr genau bedacht werden sollten. Die wichtigste ist die nach der Bedeutung des Wortes »gleich«. Ist es möglich, im Namen der Gleichheit und der Antidiskriminierung eine Gleichheit aller Paare zu schaffen? Dem stehen gewichtige Gründe entgegen:

6.
Im Sinne der einfachen Frage nach der Wirklichkeit, nach dem natürlich Gegebenen, kann man Heterosexualität und Homosexualität schwerlich als »gleich« ansehen. Ein Paar aus Mann und Frau ist nicht das Gleiche wie ein Paar aus zwei Männern oder zwei Frauen. Heterosexuelle Paare sind nicht homosexuell, und homosexuelle Paare sind nicht heterosexuell. Hier Gleichheit herstellen zu wollen, bedeutet schlicht, die Wirklichkeit zu negieren und eine große Konfusion zwischen dem Wesen des Menschen und seiner (jeweiligen) Lebenspraxis zu schaffen. Heterosexualität ist, vor aller Lebenspraxis, dem Wesen des Menschen gemäß. Homosexualität wird zwar praktiziert, aber deshalb entspricht sie noch lange nicht dem Wesen des Menschen.[1] Der Grund ist klar: Um homosexuell zu sein, muss man zunächst Mann oder Frau, also Teil der heterosexuell ausgeprägten Natur des Menschen sein. Wenn dieser Unterschied nun im Namen der Gleichheit eingeebnet wird, läuft dies auf ein Diktat der Lebenspraxis über das Wesen des Menschen hinaus. Die gefährliche Folge kann über kurz oder lang die immer radikalere Unterdrückung der für den Menschen wesentlichen geschlechtlichen Differenz sein. Die Homo-Ehe würde also zwangsläufig diktatorische Effekte zeitigen. Um den Homosexuellen gleiche Rechte zuzugestehen, würde es letztlich der Menschheit verboten werden müssen, noch irgendeinen Unterschied zwischen Mann und Frau zu machen. Wer in der Heterosexualität einen Wesenszug und nicht eine bloße Lebenspraxis des Menschen sieht, könnte wegen Diskriminierung verurteilt werden. Im Ergebnis würde dies eine neue Menschheit bedeuten. Bisher lebten wir in einer durch Unterscheidungen geprägten und sich in Unterscheidungen mitteilenden Welt. Was wir dann erleben würden, wäre eine auf »Ununterscheidbarkeit« gegründete Welt. Da die Differenzierung der Wesenszug allen Lebens ist, die Entdifferenzierung aber das Wesen des Todes,[2] bedeutet die Einführung der Homo-Ehe nichts anderes, als dass von nun an das Prinzip des Todes die Menschheit leiten würde.

7.
Die Probleme der gesetzlich dekretierten Gleichheit aller Paare spiegeln sich auch auf der Ebene der Kinder wider. Offenbar droht in Vergessenheit zu geraten, dass ein homosexuelles Paar keine eigenen Kinder haben kann. Das mag man bedauern, aber es ist so – zwei Männer oder zwei Frauen können miteinander kein Kind zeugen. Für die Weitergabe des Lebens bedarf der Mann der Frau und die Frau des Mannes. Gleichwohl fordern die Homosexuellen, »ein Kind haben zu dürfen«. Sie beziehen sich hierbei auf das Recht heterosexueller Paare, ein Kind zu adoptieren oder die Möglichkeiten künstlicher Befruchtung in Anspruch zu nehmen. Dabei scheinen sie zu vergessen oder vergessen machen zu wollen, dass es nicht das Recht, sondern die Natur ist, wodurch ihnen eigene Kinder versagt bleiben. Natürlich kann ein heterosexuelles Paar adoptieren oder eine künstliche Befruchtung vornehmen. Gleichwohl aber wird ein solchermaßen empfangenes Kind niemals dieselbe Bedeutung haben wie ein von Homosexuellen adoptiertes Kind. Denn wenn ein heterosexuelles Paar adoptiert, so gleicht es hiermit ein individuelles Unfruchtbarkeitsproblem aus. Wenn hingegen ein homosexuelles Paar adoptiert, so versucht es, eine grundsätzliche Unmöglichkeit zu umgehen. Die symbolische Bedeutung eines solchen Kindes ist eine andere. Eine Unmöglichkeit mithilfe eines Gesetzes umgehen zu wollen, führt uns in einen Bereich prometheischer Fiktionen jenseits der menschlichen Realität.

8.
Bislang beruht das Verständnis von Gesellschaft auf dem Verständnis ihrer Grenzen, darauf, dass – kurz gesagt – nicht alles möglich ist. Dass nicht alles gesetzlich beschlossen werden kann. Dass nicht alles hergestellt oder gemacht werden kann. Diese Grenzen sind auch schützende Grenzen. Die Einsicht, dass nicht alles gesetzlich beschlossen werden kann, bewahrt uns vor einer Diktatur des Rechts, und der Gedanke, dass nicht alles hergestellt werden kann, vor einer Diktatur der Wissenschaft. Mit der Homo-Ehe und dem Recht homosexueller Paare auf Adoption und künstliche Befruchtung würde sich das ändern. Die Idee, dass nichts unmöglich sei, würde die Bedeutung von Grenzen leugnen. Der Schutz vor einer Diktatur des Rechts würde fallen. Alles würde per Gesetz »umsetzbar« werden. Zugleich würden die Dämme brechen, die uns vor einer Diktatur der Wissenschaft bewahren. Alles würde »machbar« werden. Bislang sind wir der Natur gefolgt, die, wie Montaigne sagte, eine »sanfte Führerin« ist. Von nun an würden wir dem Recht und der Wissenschaft folgen. Die Natur hat es vermieden, den Menschen der Willkür des Menschen zu unterwerfen. Künftig würde der Mensch dem Menschen gehorchen müssen, ohne dass der Mensch als solcher noch irgendwem oder irgendetwas Untertan wäre. In eben jenem anything goes sah Dostojewski im 19. Jahrhundert ebenso wie Leo Strauss im 20. Jahrhundert die Essenz des Nihilismus. Zusammen mit Nietzsche und gleichermaßen illusionslos wie dieser erkannten sie im Nihilismus die verhängnisvolle Heimsuchung Europas. Mit der Homo-Ehe und dem Recht Homosexueller auf Adoption und künstliche Befruchtung würde das anything goes Wirklichkeit werden. Damit würde der Nihilismus siegen – ein Triumph des Rechtes, der Wissenschaft und des entgrenzten Menschen.

9.
Ebenso ist zu unterscheiden zwischen einem Kind, das man herkömmlich zeugt, und einem Kind, das man »machen« lässt. Ein durch ein Paar gezeugtes Kind ist Person. Die Zeugung durch Mann und Frau, die sich in Liebe vereinen, führt dazu, dass dieses Kind keine Ware und kein Handelserzeugnis ist. Ein Kind, das man durch Dritte »machen« lässt, ist keine Person, sondern ein Objekt, eine verhandelbare Ware: Man »leiht« eine Mutter, oder man »spendet« den Samen (gegen Bezahlung). Lionel Jospin hat angemerkt, es gebe kein Recht »auf ein Kind«, sondern vielmehr ein Recht »des Kindes«. Mit der Homo-Ehe, die das Recht auf künstliche Befruchtung einschließt, wird genau dies verdreht und das Recht des Kindes dem Recht auf Kinder geopfert. Unter dem Vorwand, Homosexuellen ein Recht auf Kinder geben zu wollen, wird das Kind von der Person zum Objekt degradiert. Während Menschenrechtsvertreter in aller Welt gegen die Verdinglichung des Menschen kämpfen, wird das Kind im Namen des Rechts der Homosexuellen zum bloßen Objekt.

Daneben gibt es praktische Einwände, vor allem gegen die Kosten. Damit zwei Männer ein Kind bekommen, muss eine Leihmutter engagiert werden. Das ist nicht billig – der Preis liegt zwischen 80.000 und 100.000 Euro. Sobald Homosexuelle mit dem Recht »auf ein Kind« ausgestattet sind, werden sie die Kostenübernahme durch die Sozialversicherungen fordern, was deren Defizite steigern wird. Wer bezahlt also diese Kinder? Falls sie zu einer staatlichen »Leistung« werden, wird der Staat ausreichend Leihmütter bzw. ihre spezifische Fähigkeit als geregelte Dienstleistung zur Verfügung stellen müssen. Auch wenn der Staat sich weigern sollte, zum Zuhälter-Staat zu werden, der Frauenhandel erlaubt und organisiert, wird er doch die Leihmutterschaft regulieren müssen. Das ist alles andere als eine harmlose Angelegenheit. Was passiert, wenn ein Paar mit dem Baby einer Leihmutter unzufrieden ist und es zurückgeben will? Soll man dieses Paar zwingen, das Kind zu behalten? Oder soll man das Kind zur Waise machen? Soll man die Leihmutter dazu zwingen und sie dafür bezahlen, dass sie es behält und aufzieht? Und wer zahlt den Psychiater, den dieses Kind später unweigerlich brauchen wird?

10.
Auf das Problem des »Machen-Lassens« von Kindern folgt das Problem ihrer Erziehung. Es ist ein Unterschied, ob es sich bei den Eltern um Vater und Mutter oder aber um zwei Väter oder zwei Mütter handelt. Einem Kind, das in einer Homo-Ehe aufwächst, wird das Wissen darüber verweigert, wie es ist, Vater und Mutter zu haben. Darf man dem Kind aber dieses Recht nehmen? Wenn ja, dann hieße das, dass die Homosexuellen – damit sie ein gleiches Recht auf Kinder erhalten – ihren Kindern im Unterschied zu den Kindern heterosexueller  Eltern gleiches Recht verweigern dürften. Damit homosexuelle Paare heterosexuellen Paaren gleichgestellt werden, bedarf es einer massiven Ungleichbehandlung der jeweiligen Kinder. Natürlich haben auch Waisen keine Mutter oder keinen Vater. Aber hier handelt es sich um eine Art Unfall, um individuelles Unglück, nicht um die Folge einer rechtlichen Entscheidung. Das Recht von Homo-Paaren auf ein Kind erfordert die bewusste Schaffung von Waisenkindern als gesetzliche Institution. Diese Kinder werden gesetzlich verpflichtet sein, entweder keinen Vater oder keine Mutter zu haben. Eine solche Situation wird früher oder später notwendigerweise Revolten hervorrufen. Dem Kind eines homosexuellen Paares wird das Recht auf seine wahre Abstammung genommen. Seine Herkunft bleibt abwesend. Für die Entwicklung eines Kindes aber ist sie alles andere als verzichtbar. Das Kind wird sich, kindlicher Neigung entsprechend, selbst für das familiäre Ungleichgewicht schuldig fühlen.

Daraus folgt, dass die Anhänger der Homo-Ehe und des Rechts auf Adoption und künstliche Befruchtung Opfer einer fatalen Konfusion sind, wenn sie das geplante Gesetz als einen demokratischen Fortschritt proklamieren. Wer da glaubt, dass all dies ein gutes Ende nähme, wird sich schon bald bitter getäuscht sehen. Es wird ein böses Ende nehmen, denn der Preis ist zu hoch. Niemand sollte glauben, dass die Leugnung sexueller Differenz keine Konsequenzen haben werde. Niemand sollte glauben, dass »gemachte« Kinder, denen man in vielen Fällen das Recht auf die Kenntnis ihrer Abstammung rauben wird, nicht früher oder später dagegen aufbegehren werden. Und niemand sollte glauben, dass das Verbot der Begriffe »Mutter« und »Vater« zu einer menschlicheren und friedfertigeren Gesellschaft führen würde. Wer behauptet, dass durch die gesetzliche Einrichtung der Homo-Ehe Probleme gelöst würden, der lügt. Es werden neue Probleme geschaffen. Das 20. Jahrhundert hat die Tragödien des Totalitarismus durchlebt, vor allem das Projekt der Schaffung eines neuen Menschen aus einer bestimmten Rasse oder Klasse. Wir dürfen jetzt nicht der Versuchung nachgeben, mittels einer eine Diktatur von Recht und Wissenschaft den neuen Menschen aus dem Gleichheitsdenken zu kreieren. Die Familie beruht auf natürlichen Gegebenheiten. Daran sollten wir in unserem eigenen Interesse nicht rühren.

Wir alle haben homosexuelle Freunde und Bekannte, die wir schätzen und respektieren. Wir wollen nicht bezweifeln, dass sie lautere Absichten haben. Auch nicht, dass sie in der Lage wären, ein Kind zu erziehen. Wir zweifeln auch nicht daran, dass Kinder in manchen heterosexuellen Partnerschaften nicht gut behandelt werden. Der fatale Fehler liegt vielmehr darin anzunehmen, dass all dies ein Grund für die Einführung der Homo-Ehe mit Recht auf Adoption und künstliche Befruchtung wäre.

Recht und Gesetz sind eine Sache, der Einzelfall ist eine andere. Das Recht kann sich nicht aus Einzelfällen ableiten, sondern nur aus ganzheitlichen Regeln. Wenn es um die Homo-Ehe geht, so stehen dahinter dermaßen gefährliche Grundannahmen, dass ein solches Gesetz den grundlegenden Interessen des Menschen eindeutig widerspräche. In der Nationalversammlung hat die Linke heute die Mehrheit. Mit ihrer Mehrheit kann die Linke die Homo-Ehe durchsetzen. Sie könnte aber stattdessen auch dem Menschen und seiner Würde zur Mehrheit verhelfen. Das würde sie ehren. Und damit würde sie zugleich ihren eigensten Interessen dienen. Niemand muss einem Zwang gehorchen, wenn er dabei der Vernunft widersprechen soll. Die Homo-Ehe mit ihrer ausschließlichen Basis im »Gefühl« ist wider die Vernunft. Die Preisgabe der Unterscheidung von Mann und Frau oder ihre Reduktion auf bloße Lebenspraxis ist wider die Vernunft. Es ist wider die Vernunft, ein Kind um jeden Preis zu wollen – sei es durch Adoption, Leihmutterschaft oder Samenspende. Und schließlich ist es wider die Vernunft, nicht mehr von Mutter und Vater sprechen zu wollen. – Kurz gesagt, eine juristisch-medizinische Bastelarbeit Familie zu nennen, ist grober Unfug. Die Worte haben ihren Sinn, indem sie auf die Wirklichkeit verweisen. Wenn die Worte nur noch einen Sinn haben sollen, den man ihnen willkürlich zuschreiben kann, haben sie bald gar keinen mehr. Wir befinden uns dann nicht mehr im Bereich der Vernunft, sondern im Bereich der Konfusion. Herrschaft der Konfusion, Diktatur der Konfusion, Konfusion des Denkens und Handelns – müssen wir es wirklich derart übertreiben?



[1] Anmerkung des Übersetzers: Der Gedanke entspricht der bekannten Formulierung Goethes, die Knabenliebe sei »in der Natur, obgleich sie wider die Natur« sei.

[2] Anmerkung des Übersetzers: In ähnlichem Sinne sprach Papst Johannes Paul II. von einer sich in Europa ausbreitenden »Kultur des Todes«.

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Wo das Rettende ist, wächst auch die Not http://www.die-entdeckung-des-eigenen.de/2013/04/21/wo-das-rettende-ist-wachst-auch-die-not/ http://www.die-entdeckung-des-eigenen.de/2013/04/21/wo-das-rettende-ist-wachst-auch-die-not/#comments Sun, 21 Apr 2013 01:38:38 +0000 http://www.die-entdeckung-des-eigenen.de/?p=1876 Über das Buch Die demokratische Sklavenmentalität von Kenneth Minogue

Das Erstaunlichste an diesem Buch ist der ruhige und kolloquiale Ton, mit dem der in Australien geborene Politikwissenschaftler Kenneth Minogue (*1930) unsere massendemokratischen Lebensverhältnisse Europas und Nordamerikas schonungslos beschreibt und analysiert. Es sind Lebensverhältnisse, die uns unfrei machen und uns die Verantwortung für unser eigenes Leben nehmen. In demselben Maße, in dem sie das tun, werden sie aber mit missionarischem Eifer der globalen Ausbreitung anempfohlen.

Es geht um den geistigen, charakterlichen, weltanschaulichen und gesellschaftspolitischen Umbau der westlichen Staaten. Die wachsende Befriedigung von wachsenden materiellen Ansprüchen überfordert die Volkswirtschaften mit dem Druck, die materielle Basis der Wohlfahrtspolitik zu sichern. Die Realisierung der Gleichheit stößt schon längst an sittliche und materielle Grenzen. Anders gesagt: »Das demokratische Telos führt direkt zur Untergrabung jeder wahren Demokratie.« (S. 291) Das strotzende Selbstbewusstsein der global agierenden Eliten in Politik und Medien wird davon immer noch nicht irritiert.

Die Demokratiekritik ist so alt wie die Demokratie; Minogue markiert aber den sozialdemokratischen Wohlfahrtsstaat als Erben sozialistischer Erziehungsdiktaturen und zeigt, dass das anything goes der Postmoderne mit einer zunehmenden gesellschaftlichen Überwachung und Regelungswut erkauft wird (S. 198). Einerseits werden alle mehr oder weniger rassistischen, sexistischen, diskriminierenden, xenophoben und homophoben Gedanken und Gefühle als Abweichungen von der political correctness unterdrückt. Andererseits werden genau dieselben Gedanken und Gefühle politisch verstärkt, nämlich als unvermeidliche Reaktion auf die Zwangsdefensive des weißen Mannes, auf die Sexualisierung aller Lebensbereiche, auf die xenophile Geschichts- und Einwanderungspolitik und auf die Familienzerstörung durch Gender Mainstreaming.

Einerseits wird die »Selbstbestimmung« gefeiert, andererseits wird das Individuum dem radikalen Egalitarismus unterworfen und staatlich bevormundet. »Einschüchterungen durch den politischen Perfektionismus und Abhängigkeit von der Freigebigkeit des Staates« (S. 9) gehen Hand in Hand: Die Menschen werden »von der Verfassung für weise und von der Regierung für käuflich und dumm erklärt« (S. 62). Wir dürfen zwar wählen gehen, sind aber angeblich nicht in der Lage, uns gesund zu ernähren oder unsere Kinder zu erziehen. Die Politiker versprechen die Lösung einer wachsenden Zahl von Alltagsproblemen und legitimeren damit die Ausweitung der Staatsquote – zu Lasten Dritter wie den »Reichen«.

Die ehrenvolle Tugendhaftigkeit von einst geht unter. Die moralische Temperatur fällt. Die Demokratie antwortet positiv auf alles, was wir wollen, aber: »Was wir wollen, ist nicht immer gut für uns.« (S. 32) Allzu oft handelt es sich sogar um Dinge, die wir »für gut zu befinden überredet wurden« (S. 45). Die Anspruchshaltung macht aus freien Bürgern süchtige Leistungsempfänger. Mit der Zahl ihrer Rechte wächst die politische Ohnmacht. Der Bereich des Erlaubten wird immer kleiner. Was zunimmt, sind Anspruchsdenken und Nörgelei, Unselbständigkeit und Verachtung jeglicher Autorität.

Der Verlust an Autorität mindert nicht den Abstand zwischen Masse und Elite, sondern er vergrößert ihn. So entsteht mehr Raum für bürokratische Regulierung. Die durch den Feminismus von Mann und Kind isolierte Frau fällt der Obhut des Staates anheim. Das Private wird politisch – aber anders, als das einst gedacht war. Der Staat entdeckt das Interventionsrecht für hausfremde Mächte und zieht in die Schlafzimmer ein. Warum nicht kinderreiche Familien mit einer Quote für die Homoehe belegen, sobald das genealogische Prinzip als letzter Ursprung aller Homophobie entlarvt wurde?

Den politischen Radikalismus, mit dem die neuen »Krankheiten« Menschenverachtung (»hate speech«), Homophobie oder Islamophobie kuriert werden sollen, charakterisiert Minogue sehr treffend als »sentimental« und »perfektionistisch« (S. 365). In demselben Maße, in dem sich die Moral von Sitte und Religion löst, verbündet sie sich auf illusionäre Weise mit dem Politischen. Dabei beweist doch schon das Einwanderungsproblem, dass sich moralische Gebote politisch katastrophal auswirken. Der Neubau des Menschen muss aber weitergehen. Das Wasser würde schon heute bergauf fließen, wenn da nicht die ärgerlichen Reste von Monarchie, Christentum und Konservativismus wären. Die »historische Ignoranz« gegenüber den Verdiensten und positiven Nachwirkungen dieser Kräfte verbindet sich, so Minogue, mit der Sehnsucht nach einer »Endlösung«, die ähnlich größenwahnsinnig wirke wie die Endlösung der Nationalsozialisten (S. 376).

Wir kommen zu der eigentlichen Pointe, die Minogues Konzept der demokratischen Sklavenmentalität bereithält. Die materiellen Zuwendungen scheinen für die vielen Freiheitseinbußen kaum zu entschädigen. Ein ideeller Mehrwert muss her, und zwar das Versprechen, die pluralistisch differenzierte Gesellschaft könnte in die wahre, harmonische Menschheitsgemeinschaft transformiert werden. Die Fiktion, die globale Ungerechtigkeit durch einen einzigen Willensakt abschaffen zu können, macht aus ohnmächtigen Leistungsempfängern »Titanen, die den Himmel stürmen«. (S. 70) Ein gottähnlicher gesellschaftlicher Ehrgeiz tritt an die Stelle persönlicher Tugendhaftigkeit.

Das Politisch-Moralische will die scheinbar unerträgliche Ambivalenz des Lebens verabschieden: »Die Individualisten der [alten] moralischen Lebensführung (…)  taten sowohl Gutes wie Böses. Der Traum der politisch-moralischen Welt besteht darin, daß die moderne Rationalität diese Dualität überwinden wird.« (S. 356) Das ist der gnostische Traum von Süchtigen, die die Welt retten. Wenn sie es wirklich ernst meinen und so weitermachen wie bisher, werden sie, so fürchtet Minogue, eines Tages feststellen, dass sich die Menschheit als ungeeignet für ihr Projekt erwiesen habe.

Eine solche Enttäuschung käme dem hiesigen Leser irgendwie bekannt vor. Hitlers Verachtung für das deutsche Volk nach dem Scheitern seiner Pläne könnte sich in globalem Maßstab wiederholen. Die Widersprüche der Menschheitsgesellschaft, die sich dem heilenden Zugriff global tätiger NGOs nicht würdig erweisen will, kehren schon heute als Spannungen im Individuum wieder. Je mehr Unterschiede draußen in der Welt bekämpft werden, desto heftiger tobt der Kampf im eigenen Kopf. Er muss am Ende aushalten, was die Welt nicht aushalten soll. Hier schließt sich der Kreis. Wo das Rettende ist, wächst auch die Not.

Das schöne und große Versprechen dieses Buches aber lautet: Wir können die Welt verstehen, in der wir leben. Wir können durchschauen, was passiert. Was passiert, können wir ordnen und deuten, und indem wir es ordnen und deuten, werden wir freier und lebensfähiger. In dieser Reihenfolge: erstens freier und zweitens lebensfähiger. Wir müssen nur unser Leben selbst in die Hand nehmen und unseren Wirkungskreis auf dasjenige Feld beschränken, das wir aus eigener Kraft bestellen können.

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Hl. Augustin und der Feminismus – Werkstattbericht Nr. 3 http://www.die-entdeckung-des-eigenen.de/2013/04/09/werkstattbericht-nr-3/ http://www.die-entdeckung-des-eigenen.de/2013/04/09/werkstattbericht-nr-3/#comments Tue, 09 Apr 2013 12:17:27 +0000 http://www.die-entdeckung-des-eigenen.de/?p=1755 130409 Porträtfoto LASSAHNDie Produktion des ersten Bandes unserer Trilogie Frau ohne Welt, über die ich bereits hier und hier berichtet habe, steht kurz vor dem Abschluss. Heute haben der Autor (der bekannte Schriftsteller und Liedermacher Bernhard Lassahn, siehe links) und ich zwei Zitate für die vordere Umschlagklappe ausgewählt. Das erste Zitat stand bereits seit längerem fest. Und zwar deshalb, weil es die Bedeutung des Titels auf die denkbar kürzeste und amüsanteste Weise erläutert. Bei diesem Zitat handelt es sich um einen Witz, und der geht so: Er: »Schatz, wollen wir nicht eine Weltreise machen?« / Sie: »Ach nein, ich möchte lieber woanders hin.« Um es vorweg zu sagen: Dieser Witz ist nicht etwa »frauenfeindlich«, sondern männermelancholisch. Es ist ein Witz über die Melancholie des Mannes, der die Frau nicht mehr erreicht. Mit gar nichts. Nicht einmal damit, dass er ihr die ganze Welt zu Füßen legt.

Als Lassahn und ich über dieses Zitat sprachen, fiel mir ein, dass ich doch gestern Abend endlich meine Lektüre der Confessiones Augustins fortgesetzt und dort einen Gedanken wiedergefunden hatte, den ich von Robert Spaemann kenne. Beide Zitate, fanden Lassahn und ich, sagen uns zusammen noch sehr viel mehr als sie uns einzeln sagen. Ich zitiere den ganzen Passus (III. Buch, 7,12), und ich hebe den entscheidenden Satz Augustins durch Fettung hervor:

130409+COVER+Frau+ohne+Welt+I+klein»Denn von etwas anderem, das wirklich seiend wäre, wußte ich nicht. Und eine spitze Geistelei verführte mich, den albernen Betrügern beizufallen, wenn ich gefragt wurde: Woher das Übel?; ob denn Gott wie Körper gestaltlich umschrieben werde?; ob er Haare und Nägel habe?; ob auch die für Gerechte gelten könnten, die in Vielweiberei lebten, Menschen töteten und Tieropfer darbrachten? Unkundig des Sachverhalts, ließ ich mich verblüffen, und während ich abkam von der Wahrheit, glaubte ich ihr entgegenzuwandeln. Denn ich wußte nicht, daß das Übel weiter nichts ist als Ausfall an Gut, der schließlich bis zum Nichtsein führt. Wie auch hätte ich das einsehen sollen, wo doch mein Sehen mit den Augen nur bis zu Körpern, mein Sehen mit dem Geiste nur bis zu Einbildungen reichte?«

Der Feminismus ist Fehlen des Guten, und er führt »schließlich bis zum Nichtsein«, insbesondere zum Nichtsein von Kindern, zum Nichtsein von menschlichem Leben. Da die Kritik am Feminismus aber nicht frauenfeindlich ist (was uns die meisten Medien nichtsdestotrotz einzureden versuchen), habe ich mich in einem ebenfalls heute entstandenen Anzeigentext für Lassahns Buch direkt an die Frauen gewandt, indem ich für die liebevolle Verbindung von Frauen und Männern, also gegen ihre konkurrenzsüchtige Trennung plädiert habe:

»Männer wacht auf! Frauen, wacht auf! Eine tiefe Unversöhnlichkeit ist zwischen die Geschlechter gekommen. Der Feminismus ist der Feind der Liebe und der Feind der Familie. Er nimmt den Männern die Frauen und die Kinder weg. Er nimmt den Frauen die Welt weg, in der allein sie blühen können.

Der Feminismus macht die Männer schlecht. Erst in der Sprache, dann in der Wirklichkeit – als ginge es auch ohne sie. Ist das gut? Nein! Feminismus ist Apartheid. Feminismus ist ein totalitärer Umbau der Normalität. Feminismus ist ein Krieg, der verleugnet wird.

Wer an den Feminismus glaubt, wird unglücklich. Frauen dürfen abtreiben und sich scheiden lassen. Männer dürfen zahlen. Oder der Staat zahlt, den auch die Männer bezahlen. Was haben Frauen und Männer davon? Nichts! Der Mann wird einsam, und die Frau wird zur ›Frau ohne Welt‹.

Bernhard Lassahn beschreibt all das heiter, gelassen, traurig, amüsiert und scharfsinnig. Lassahn sagt: ›Es gibt ein Leben nach dem Feminismus. Und dieses Leben beginnt mit der Liebe. Denn mit der Liebe beginnt die Zukunft.‹«

Ich füge hinzu: Und das Gute!

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Der totale Staat der SPD http://www.die-entdeckung-des-eigenen.de/2013/03/28/der-totale-staat-der-spd/ http://www.die-entdeckung-des-eigenen.de/2013/03/28/der-totale-staat-der-spd/#comments Thu, 28 Mar 2013 12:40:59 +0000 http://www.die-entdeckung-des-eigenen.de/?p=1739 Alexander Kissler über das neue Buch von Kenneth Minouge

Der Cicero-Redakteur Alexander Kissler weist in seinem aktuellen Beitrag für Cicero online, »Der totale Staat. Wie die SPD aus Bürgern Antragsteller macht«, auf das neue Buch von Kenneth Minogue (Die demokratische Sklavenmentalität) hin, das soeben in der Edition Sonderwege bei Manuscriptum erschienen ist. Kissler wendet sich kritisch gegen den ausufernden Wohlfahrts-Etatismsus, der von den großen Parteien CDU und SPD gefördert wird. Es droht der totale Staat, der aus der Sozialkasse bezahlt wird:

»Laut Minogue kann die ›Abhängigkeit von Sozialleistungen‹ dazu beitragen, aus freien Individuen Knechte des Systems zu machen. Seit Beginn des 20. Jahrhunderts werde die Gesellschaft als eine ›Vereinigung hilfsbedürftiger Menschen‹ angesehen, ›deren Notlagen und Leiden durch die Macht des Staates kuriert werden müssen. (…) Moralische Handlungsfähigkeit wird dadurch untergraben, dass Regierungen die Aufgaben übernehmen, die die Individuen einst selbst wahrzunehmen pflegten.‹ (…)

Damit wird der Zivilgesellschaft, die auf die Freiheitsrechte des Individuums angewiesen ist, Stück um Stück der Boden entzogen. Der Staat benennt alle Mängel und stellt alle Lösungsmittel bereit. Wo der Staat einen Mangel sieht, muss es einen geben, und wo der Staat die Achseln zuckt, da kann kein Mangel sein. Der Staat ist zuständig für Wohl und Wehe in jeder Lebenslage, das Individuum darf sich zurückziehen in die Kapsel des Privatvergnügens. So verliert Demokratie ihr Subjekt, den Demos, das Volk. Es gibt nur Antragsteller, die sich an den Staat wenden, wenn es zwickt oder zwackt, und es gibt eine staatliche Herrscherklasse, die unentwegt zuteilt, verteilt, umverteilt.«

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Totalitarismus im Hosenanzug http://www.die-entdeckung-des-eigenen.de/2013/03/12/totalitarismus-im-hosenanzug/ http://www.die-entdeckung-des-eigenen.de/2013/03/12/totalitarismus-im-hosenanzug/#comments Tue, 12 Mar 2013 15:53:19 +0000 http://www.die-entdeckung-des-eigenen.de/?p=1312 Carl Schmitt und Ernst Forsthoff lassen grüßen: Feminismus und Frauenquote höhlen systematisch das Privatrecht aus. Noch scheint eine Quote, die zur »Homo-Ehe« nötigt, ausgeschlossen zu sein. Sie ist in der gegenwärtigen Politik aber schon angelegt.

Ein Gastbeitrag von Timotheus Kiesow

Der totale Staat trägt Uniform, Stiefel und marschiert im Gleichschritt durch die Straßen, jedenfalls in unserer Vorstellung. Er kann aber auch anders, auf hohen Absätzen daherkommen, im Hosenanzug, mit einem rosaroten Seidenschal. Dann sieht sein Werkzeug zwar freundlicher aus als eine Luger oder eine Kalaschnikow, eher wie eine Nagelfeile.

Im Prinzip stellt er aber das Gleiche damit an. Der totale Staat zerstört die Grenze zwischen der öffentlichen und der privaten Sphäre, die wichtigste Grenze in der abendländischen Zivilisation. So handhabt er auch die Frauenquote, er überträgt die Gleichbehandlung der Geschlechter, einen öffentlich-rechtlichen Grundsatz, auf private Rechtsverhältnisse. Damit stellt er die Vertragsfreiheit in Frage und untergräbt er die Privatautonomie.

Schon als der totale Staat gegen Ende der Weimarer Republik zum Thema der politischen Debatte wurde, ging es nicht um sichtbare Gewaltausübung oder Verfolgung. Es ging um Finanzausgleich, öffentliche Wohlfahrt und andere Überdehnungen der staatlichen Macht, die aus der totalen Mobilmachung im Krieg übernommen worden waren. Der Staatsrechtler Carl Schmitt schrieb 1931 über die »Wendung zum totalen Staat«, die Unterscheidung zwischen Staat und Gesellschaft gelte nicht mehr für das 20. Jahrhundert. Er schrieb es damals durchaus noch bedauernd, denn er wollte dem Staat eine eigene Sphäre des Politischen sichern.

Zur Jahreswende 1933 lobte Schmitt den »stato totalitario« des Faschismus dafür, dass er sich seine Macht nicht »unter irgendwelchen Stichworten, Liberalismus, Rechtsstaat, oder wie man es nennen will«, vermiesen lasse: »Ein solcher Staat kann Freund und Feind unterscheiden.« Wie gut er das konnte, sollte die weitere Entwicklung zeigen. Mit seiner Feinderklärung machte der Staat auch vor dem Privaten nicht mehr Halt, vor Käufer und Verkäufer nicht, nicht vor Arbeitnehmer und Arbeitgeber, ja, nicht einmal vor Gatte und Gattin.

Noch im selben Jahr 1933 spann der Verwaltungsrechtler Ernst Forsthoff die Anregungen seines Lehrers zur Skizze Der totale Staat weiter. Damit wollte er dem Nationalsozialismus die Grundzüge einer Verwaltungsform zeigen, mit der die Kommunen ihrer Autonomie beraubt und vollends dem Staat eingegliedert werden konnten. Wie bei Schmitt ist der »Feind« hier die »Gesellschaft«, die nach dem negativen Prinzip der Freiheit, »des Leben und Leben-Lassens« verfahre. Wirtschaft und Kultur, die nun dem totalen Staat unterstünden, sollten am besten von Kommissaren bestimmt werden, die zwar nach Gutdünken, aber doch im Sinne des Staates entscheiden würden.

Man muss Forsthoff zugutehalten, dass er zugleich mit der Grundlegung des totalen Staates dessen Kritik lieferte. An die nationalbolschewistischen, revolutionären Kreise in der NSDAP richtete er die Warnung, man dürfe Totalität nicht so verstehen, »als werde jetzt der Staat dazu übergehen, alle sozialen Lebensvorgänge schematisch zu reglementieren.« Nach dem Zweiten Weltkrieg arbeitete Forsthoff seine vergangene, totalitäre Polemik gegen den Rechtsstaat auf. Er verteidigte nun den Rechtsstaat gegen den Sozialstaat und prägte ein Begriffspaar, das die wichtigste politische Debatte der Bundesrepublik bestimmen sollte.

Der Rechtsstaat, so lässt sich Forsthoffs Position auf den Punkt bringen, das ist der Staat, der die Grenze zwischen privater Gesellschaft und öffentlichem Staat unangetastet lässt. Der Sozialstaat dagegen ist der totale Staat im menschenfreundlichen Gewand, er greift den Bürgern ins Eigentum und stört sie in der Ausübung ihrer Vertragsfreiheit. Und zwar, indem er den Grundrechten eine Drittwirkung aufs Private zuspricht. Die Grundrechte schützen nicht mehr (nur) den Staatsbürger vor staatlichen Eingriffen in seine Freiheit, sie verpflichten in erster Linie den Privatbürger gegenüber seinen Mitmenschen. Und der Staat wacht mit seinem Gewaltmonopol darüber, dass die Bürger untereinander die Grundrechte einhalten.

Das Recht auf Gleichbehandlung ist ursprünglich eine Forderung an den Staat, bei Gerichtsprozessen oder Wahlen keinen Unterschied zwischen Mann und Frau zu machen. Von feministischen Interessengruppen auf den Kopf gestellt, sieht es heute aus wie die Pflicht des Staates, Mann und Frau im Privatleben gleichzustellen. So widerspricht das Grundrecht mit Drittwirkung der Vertragsfreiheit, die in unserer Zivilisation grundsätzlich für private Rechtsverhältnisse gilt. Wen ich einstelle, an wen ich eine Wohnung vermiete, wen ich heirate, das ist mir überlassen – und nicht dem Inhaber des Gewaltmonopols. Mein Haus ist ebenso wie meine Firma mein privates Eigentum, mache ich davon Gebrauch, ist es mein gutes Recht, nach selbst gesetzten Kriterien zu diskriminieren.

Dass die Frauenquote gegen das Privateigentum gerichtet ist und damit gegen das Privatleben im Allgemeinen, lässt sich zunächst nicht leicht erkennen, weil sie von oben nach unten durchgesetzt wird. Die Stufenlogik ihrer Durchsetzung funktioniert – nach der neuen Richtlinie der Europäischen Kommission – wie folgt. Erstens: Der Staat behandelt Mann und Frau in der Öffentlichkeit gleich. Zweitens: Öffentliche Unternehmen müssen bis zum Jahre 2018 eine Frauenquote von 40 Prozent in Aufsichtsräten erreichen, weil sie Vorbilder sind für (drittens:) börsennotierte Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten und mehr als 50 Millionen Euro Umsatz im Jahr, die die Frauenquote bis zum Jahre 2020 erreichen müssen.

Wie auf einer Hängeleiter führen die Stufen herab vom Öffentlichen ins Private. Kleine und mittelständische Unternehmen sind zwar noch ausgenommen von der Quote, aber nicht weil die Quotenmacher etwa Respekt vor deren Privatautonomie hätten. Die Quote ist einfach noch nicht so tief herabgestiegen. In der glücklichen Zukunft sollen die weiblichen Vorstände, die von den weiblichen Aufsichtsräten ernannt worden sind, »auch sogenannte Ausstrahlungseffekte« auf »mittlere und kleinere Unternehmen« ausüben, wie Jutta Allmendinger, die Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin, im Interview mit dem Deutschlandradio unumwunden zugibt.

Bei börsennotierten Unternehmen fällt der Eingriff ins Eigentum nicht so auf, sie werden wegen ihrer Größe und ihrer vielen anonymen Eigentümer irgendwie als öffentliche Anstalten wahrgenommen. Aber nicht alles, was eine verwickelte Personalstruktur hat und mehrere Stockwerke und Gänge mit Büroräumen sein eigen nennt, ist schon öffentlich. Auch ein Unternehmen, das auf dem deutschen Leitindex für Aktien Dax gelistet ist, hat Eigentümer, die Aktionäre – und nur die dürfen darüber entscheiden, ob eine Frauenquote im Aufsichtsrat erwünscht ist.

Wie im totalen Staat des Carl Schmitt steht auch zu Beginn der Frauenquote eine Feinderklärung. Lange bevor der Staat der EU beginnen konnte, das Privatleben der Bürger nach der Unterscheidung zwischen Mann und Frau schematisch zu reglementieren, erklärte der Feminismus den Mann zum Feind. Wie schrieb doch Alice Schwarzer 1991 zum Geschlechterkampf zwischen Mann und Frau: »Die Propagierung des weiblichen Masochismus durch Männer ist ein Angriff, durch Frauen ist es Kollaboration mit dem Feind.« Der Mann ist der Feind, die Frau in seinem Bett eine Kollaborateurin. Der Feminismus ist vor allem die Ideologie der lesbischen Frau, wie Volker Zastrow 2006 in seinem Essay-Klassiker Gender. Politische Geschlechtsumwandlung schön herausgearbeitet hat.

Und diese Ideologie hat die Machtfülle eines superstaatlichen Kommissariats, mit langer Hand gestrickte Netzwerke und den Zeitgeist auf ihrer Seite. Die gesamte Debatte befindet sich schon diesseits der Frauenquote.

Während die Bundesministerin für Arbeit und Soziales das Diktat der EU-Kommissarin Viviane Reding stützt, will die Familienministerin die Flexi-Quote mit selbstgesetzten Unternehmenszielen, weil sie dagegen weniger Widerstand erwartet. Die Bundeskanzlerin lässt ihren Regierungssprecher ausrichten, Frauenquoten seien nationales Terrain, während ein Hamburger Gesetzesentwurf zur Frauenquote, der der EU-Richtlinie zum Verwechseln ähnelt, nach einem Spaziergang durch den Bundesrat schon auf die Zustimmung des Bundestages wartet. Selbst die liberale Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hat der gesetzlichen Frauenquote nur ihre Hoffnung auf eine quotenmäßige Selbstregulierung der Unternehmen entgegenzusetzen.

Die männlichen Gegner der Quote argumentieren mit Kreide im Mund, die Frauenquote werde der weiblichen Sache auf Dauer nur schaden. Ob die Frauenquote überhaupt rechtmäßig ist, ob sie nicht nur durch rechtliche Anpassungen und eine fragwürdige Interpretation des Grundgesetzes legal gemacht werden kann, sondern ob sie vielmehr legitim ist – das ist schon gar kein Thema mehr! Warum soll die Quote dann eigentlich nur für die Arbeit gelten, nicht auch für alle anderen privaten Verhältnisse, etwa für die Ehe? Wenn die erste von zwei Schwestern einen Mann geheiratet hat, müsste die zweite dann nicht eine Frau heiraten müssen, um das schwache Geschlecht nicht zu diskriminieren?

Die Frauenquote ist totalitär. Sie ist es aber nicht, weil sie mit biologischen Argumenten Politik betreibt, wie der Geschlechterforscher Gerhard Amendt in seiner Abrechnung Frauenquoten – Quotenfrauen vermutet. Sie ist totalitär, weil sie vom öffentlichen Recht her das Private aushöhlt. Das Privatrecht ist aber seit römischen Zeiten das wichtigere Recht. Denn vom Privaten, von unten nach oben bauen sich auch die öffentlichen Einrichtungen auf. Nicht von oben nach unten, wie Kommissare es schon immer haben wollten.

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Über die Verwechslung von Fremdem und Eigenem http://www.die-entdeckung-des-eigenen.de/2013/03/01/homosexualitaet-und-adoption/ http://www.die-entdeckung-des-eigenen.de/2013/03/01/homosexualitaet-und-adoption/#comments Fri, 01 Mar 2013 18:18:43 +0000 http://www.die-entdeckung-des-eigenen.de/?p=633 130302 shutterstock_129669434 kleinEin Adoptionsrecht »für« gleichgeschlechtliche Paare verspricht, ein scheinbar unvermeidliches Defizit ausgleichen zu können. Aber woher kommt der Ausgleich? Von verschiedengeschlechtlichen Eltern, die selbstgezeugte Kinder haben und sie zur Adoption freigeben. 2011 wurden in Deutschland nur 4.060 Adoptivkinder vermittelt. Auf ein Adoptivkind kommen zehn Bewerber. Wir haben keinen Mangel an »Eltern«, sondern an Kindern. Eine Homosexuellenquote im Adoptionsrecht (darum geht es doch wohl – um Zuteilung unabhängig von Eignung) würde pro Jahr schätzungsweise 200 gleichgeschlechtliche Paare mit Kindern versorgen. Tendenz fallend, weil die Zahl der Adoptionen seit 20 Jahren fällt. Und dafür der ganze Aufwand?

Schauen wir nach Wien. Dort kümmert sich die Grundrechteagentur der EU nicht nur um Homosexuellen-, sondern auch um Kinderrechte. Je mehr Schutz von Kinderrechten, desto mehr Kindesentzug im Falle »ungeeigneter« Eltern. So könnte die Adoptionsrate steigen, während die Geburtenrate weiter fällt. Der Staat verspricht alles Mögliche, was ihm nicht gehört, warum nicht auch Kinder? Die Umverteilung zu Lasten Dritter funktioniert im Namen der Gerechtigkeit wie ein Naturgesetz. Neu wäre nur seine Anwendung auf knappes Humankapital. Jeglicher Widerstand kann als »Homophobie« kampflos besiegt werden.

Wovon sprach die CSU dieser Tage, als sie von der Weitergabe des Lebens hätte sprechen müssen? Vom »Leben mit Kindern«. Da haben wir ihn, wo wir ihn am wenigsten vermuteten, den vorauseilenden Abschied vom genealogischen Prinzip.

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Hurra, wir werden weniger! http://www.die-entdeckung-des-eigenen.de/2013/01/24/wir-werden-weniger/ http://www.die-entdeckung-des-eigenen.de/2013/01/24/wir-werden-weniger/#comments Wed, 23 Jan 2013 23:55:27 +0000 http://www.die-entdeckung-des-eigenen.de/?p=468 »Schiffe haben Lust zu verschwinden«, heißt es irgendwo bei Ernst Bloch. Da sind sie nicht die einzigen. Das vom Bundesforschungsministerium organisierte »Wissenschaftsjahr 2013« firmiert unter der Parole »Die demographische Chance«. Die gefeierte »Chance« besteht nicht etwa in einer glücklichen Gelegenheit kollektiven Wachsens und Gedeihens. Nein, es geht um den Rückbau des Volkes oder mindestens um seinen Umbau in Bevölkerung. Deshalb, um des völkischen Verschwindens willen, gibt es nichts Willkommeneres als den demographischen Wandel. Keine euphemistische Volte ist dem alt und ungelenk gewordenen Zeitgeist zu halsbrecherisch, wenn es darum geht, seinen überlebten Markenkern zu retten: die ichsüchtige Aufkündigung des genealogischen Zusammenhangs, in den jedes menschliche Leben seit Menschengedenken eingebettet war und ist. Es lebe die bestenfalls egozentrische, notfalls neurotische, in jedem Fall marktkonforme Selbstverwirklichung!

Fällig wäre dagegen eine Bankrotterklärung jener Generation, die in den 70er, 80er und 90er Jahren die Zeugung mit Bedacht verweigert und das Problem des Kindermangels von der sonst so großzügig geübten Gesellschaftskritik ausgenommen hat. Was fällt uns heute als Antwort auf die fehlenden Kinder ein? Basisrente, »altersgerechtes« Wohnen für gehobene Einkommensklassen, lukrative Bewirtschaftung der pensionierten Konsumentengruppen; für den minderbemittelten Rest Altenpflege zu Dumpingpreisen in Osteuropa, und wenn auch das zu teuer oder zu mühsam werden sollte – Sterbehilfe. Ansonsten immer verrücktere Formen individualistischer Separation, während Single-Haushalte zumindest in den Großstädten bald unbezahlbar werden dürften. Dieselbe Generation, die dem Recht auf Abtreibung und auf massenhafte, künstliche Empfängnisverhütung weltanschaulichen Rang verleiht, lässt sich ihre Deutungsmacht trotz offenkundigen Versagens auch im Siechtum nicht entreißen: »Wir leben länger. Wir werden weniger. Wir werden vielfältiger.« (Wissenschaftsjahr 2013)

Jahrzehntelang lang wurde die Sorge über den Geburtenrückgang der völkischen Schmuddelecke überlassen, zugleich aber die Verantwortung des deutschen Volkes für die nationalsozialistischen Verbrechen und ihre Folgen auf alle künftigen Generationen ausgedehnt. Was dieses Versprechen wert ist, sehen wir am Umgang mit dem Demographie-Problem: nämlich nichts. Als es dann endlich (endlich!) für eine Umkehr scheinbar zu spät war, wurde das Thema doch noch entdeckt und die Erkenntnis der Not mit der frechen Lüge weggewischt, der Wandel sei unumkehrbar. Emanzipierte Schwule und führende Single-Frauen sind allemal mehr Wert als deutsche Kinder, auch wenn es ohne deutsche Kinder mangels muslimischer Hilfsbereitschaft auf lange Sicht weder emanzipierte Schwule noch führende Single-Frauen geben könnte. Die Rettung, woher auch immer, soll trotzdem von den Immigranten kommen, sofern man sie nur gut integriert. Je teurer und je schwieriger ihre Integration gerät, desto besser: Die latent antisemitische und rechtsradikale indigene Bevölkerung kann man mit dem stellenintensiven Kampf gegen Rechts umso härter disziplinieren und umso gründlicher umerziehen, je mehr sie sich wehren sollte. Die Wertfrage ist ja bereits geklärt: »Deutschland stirbt aus, wir klatschen Applaus.«

Einmal mehr fällt es schwer, sich nicht in Ironie und Zynismus zu flüchten. Aber den liefert ja schon das Bundesforschungsministerium frei Haus. Und nirgends wäre Ironie unangemessener als gegenüber der demographischen Entwicklung. Wäre es auch nur hier und da erwünscht, auf die greifbaren Ursachen der Entwicklung – auf Abtreibung, Empfängnisverhütung, Feminismus, Konsumismus, Zerstörung der Familie – hinzuweisen, würde sofort deutlich werden, wie viel zur Besserung der Lage auch heute noch getan werden könnte – und in Zukunft erst recht. Bis es soweit ist, freue ich mich über den leider einzigen Familienvater in meinem Freundeskreis – einen biologischen Mann –, der mit seiner eigenen, von ihm geliebten und ihm selbst angetrauten biologischen Frau das dritte gewollte, gemeinsame und natürlich gezeugte Kind erwartet: Eine inzwischen beinahe altmodische, womöglich schon reaktionäre, auf jeden Fall aber sehr gesunde Lebensform. Und die einzige mit Zukunft. – Für das Wahre, Schöne und Gute!

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Wem nützt das eigentlich? Nachtrag zur Sterbehilfe Nr. 6 http://www.die-entdeckung-des-eigenen.de/2013/01/23/nachtrag-zur-sterbehilfe-nr-6/ http://www.die-entdeckung-des-eigenen.de/2013/01/23/nachtrag-zur-sterbehilfe-nr-6/#comments Wed, 23 Jan 2013 18:05:14 +0000 http://www.die-entdeckung-des-eigenen.de/?p=411 Das Entsetzen von Melanie Mühl (»Dunkler und noch dunkler«, Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 17.1.2013, S. 27) über den Tod der taubblinden belgischen Zwillinge teile ich. Die Autorin verweist auf einen deutschen Patienten mit ererbter Taubblindheit, der seine Verzweiflung überwunden und den Lebenswillen wiedergefunden hat. Ja, man kann nicht oft genug betonen, dass der Todeswunsch nichts Festes und nichts Unveränderliches ist. Einem Menschen mit Todeswunsch »das Recht auf Sterben« einzuräumen, wie das in Belgien heißt, – das ist die bösartigste und brutalste Falle, die man einem Menschen überhaupt stellen kann. Als Toter kann er sich nicht einmal beschweren. Sterbehilfe ist ungefährlich – für die anderen.

Als ich 1983/84 in der Querschnittabteilung der Orthopädischen Universitätsklinik Heidelberg meinen Zivildienst geleistet habe, konnte ich immer wieder die seelischen Prozesse von querschnittgelähmten Unfallopfern beobachten. Am Anfang wechseln sich Todeswunsch und Lebenswille bei dramatischen Ausschlägen in rascher Folge ab. Dann, im Laufe der Zeit, wird die Kurve flacher. Optimismus und Lebenswille stabilisieren sich gleichzeitig mit den Therapieerfolgen und mit der zunehmend wiedererlangten Selbständigkeit. Der Todeswunsch verliert sich früher oder später – fast immer. So war das offenbar auch bei dem deutschen Taubblinden, den Melanie Mühl anführt. Wäre dagegen der Todeswunsch ein verlässliches Kriterium für Suizidhilfe, müssten sich praktisch alle querschnittgelähmten Unfallopfer umbringen dürfen. Damit sie es möglichst nicht tun, sollte man ihnen dabei nicht helfen.

Genau das wird aber vielfach verlangt: Den Todeswunsch eins zu eins aufzugreifen und »zu helfen«. Was wollen uns die Leute eigentlich sagen, die in allen möglichen Foren plötzlich reihenweise behaupten, dieser oder jener Fall von Krankheit oder Behinderung sei absolut unzumutbar? Sie behaupten, sie wüssten das aus eigener Anschauung, obwohl sie für einen anderen sprechen, von dem man in der Regel nicht einmal erfährt, ob und wann und wie lange der sterben wollte.

Wollen diese Leute, die gleichermaßen öffentlich und demonstrativ mitleiden, vielleicht nur sich selbst die Zumutungen ersparen, die aus dem Kranksein erwachsen? Können sie das Leid ihrer Nächsten vielleicht einfach nicht mit ansehen? Das ist doch wohl zumindest nicht ausgeschlossen. Es wäre sogar verständlich, aber trotzdem wäre es falsch, ihrem Impuls nachzugeben. Zunächst hilft nur eins: Wir müssen anerkennen, dass Krankheit und Tod für Angehörige, Freunde, Pfleger, Ärzte u.s.w. unglaublich anstrengend sein können. Der Lebenswille, der auch ein leidvolles Leben schier endlos in die Länge ziehen mag, kann für die anderen unglaublich anstrengend sein. Selbst dann, wenn man gar nicht täglich damit konfrontiert wird.

Man führt einmal ins Heim, weil es angeblich ans Sterben geht. Fehlalarm. Ein paar Wochen später (zwischendurch fanden normale Besuche statt) fährt man noch einmal hin. Wieder Fehlalarm. Dann heißt es zum dritten Mal Abschied nehmen. Das kann über Monate oder Jahre so weitergehen. Man wird hin- und hergerissen zwischen Hoffnung und Trauer und weiß bald nicht mehr, was einem lieber ist. Erleichternd wäre die endgültige Klarheit in die eine oder andere Richtung. Krankheit und Tod können für alle unglaublich anstrengend sein, eine Zumutung, eine narzisstische Kränkung.

Pflege ist Schwerstarbeit. Ob bezahlt oder unbezahlt – sie verlangt ein Maximum an persönlicher Aufopferung für jemanden, dem es immer schlechter geht, und das womöglich jahrelang. Die durchschnittliche Pflegezeit beträgt in Deutschland acht (!) Jahre. Einen Todeswunsch stante pede* zu erfüllen, ist das Brutalste und Unmenschlichste, das einem dazu einfallen kann. Freilich erspart es dem Nächsten und der Gesellschaft ein hohes Maß an seelischen und finanziellen Aufwendungen. Ja, man spart wirklich sehr viel Geld – und noch mehr Liebe.

* »stante pede« (= sofort) gilt hier auch für die wochenlange »Prüfung« des Todeswunsches durch eine Sterbehilfeorganisation, denn Wochen sind gar nichts, wenn es um seelische Prozesse und seelische Heilung geht.

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http://www.die-entdeckung-des-eigenen.de/2013/01/23/nachtrag-zur-sterbehilfe-nr-6/feed/ 0
Arm und Reich. Nachtrag zur Sterbehilfe Nr. 1 http://www.die-entdeckung-des-eigenen.de/2013/01/09/nachtrag-zur-sterbehilfe-nr-1/ http://www.die-entdeckung-des-eigenen.de/2013/01/09/nachtrag-zur-sterbehilfe-nr-1/#comments Wed, 09 Jan 2013 22:04:35 +0000 http://www.die-entdeckung-des-eigenen.de/?p=129 Ist die Sterbehilfe nicht eine Verlegenheitsantwort auf die kommende Ressourcenknappheit im Gesundheitswesen? Könnte sie uns nicht die ungerechte Zweiklassenmedizin ersparen, indem Patienten, für die das Geld fehlt, »freiwillig« sterben? In diesem Sinne heißt es auf Seite 54 meines Beitrags zu dem Buch über Sterbehilfe, das in Kürze bei Manuscriptum erscheint:

»Anstelle einer Zweiklassenmedizin, in der die einen besser behandelt werden als die anderen, entsteht unter den Bedingungen der Sterbehilfe eine Zweiklassenmedizin, in der sich die einen, die den neuen Lebensbedingungen seelisch und materiell gewachsen sind, privat oder im Ausland behandeln lassen, und die anderen, die es nicht sind, sterben.«

Und schon muss ich mich korrigieren. Das war insofern noch zu kurz gedacht, als die Neigung zum Selbstmord genauso wenig vor vermögenden Leuten halt macht (siehe Gunter Sachs, Robert Enke) wie die Verführbarkeit durch Sterbehilfe. Ein Freund erzählte mir von einem reichen Pariser Ehepaar, das sich gemeinsam in der Schweiz umbringen ließ ohne ernsthaft krank zu sein, zuvor aber die Familie zu einem nachhaltig verstörenden Abschiedstreffen einlud, erster Klasse nach Zürich flog, in einem standesgemäßen Hotel abstieg und ein feines Abendessen verzehrte. Am nächsten Tag war es dann soweit.

Nein, Sterbehilfe ist deshalb »die zarteste Versuchung seit es den Wohlfahrtsstaat gibt«, weil sie sich zu Klassen- und Vermögensschranken neutral verhält. Das macht sie sozialpolitisch unheimlich attraktiv: Der Staat, der sich einer Gerechtigkeit verschrieben hat, die es eigentlich nur im Himmel gibt, hätte eine Sorge weniger, wenn ihm der »Selbstmord für alle« dabei hülfe, auf die Einführung einer Zweiklassenmedizin verzichten zu können.

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