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Volker Beck dreht durch

Die Grünen auf dem Weg zur Zwangshomosexualität

Zum Thema Homosexualität bemerkte mein Ziehvater in den späten siebziger Jahren: »Erst war es verboten, dann war es erlaubt, und wenn es Pflicht wird, wandere ich aus.«  Ich wunderte mich damals ein wenig über diese Drohung, aber Ziehvater Krause hatte die Entwicklung durchaus richtig erkannt. Die Grünen glauben vermutlich, der Homosexualität als Pflichtübung jetzt ein gutes Stück näher gerückt zu sein. Mit Volker Beck an der Spitze fordern sie ein Verbot von Therapien, die homosexuellen Minderjährigen helfen könnten, ihre Orientierung zu ändern.

In dem entsprechenden Gesetzentwurf heißt es: »Ordnungswidrig handelt, wer berufs- oder gewerbsmäßig Therapien anbietet oder durchführt, die das Ziel haben, die sexuelle Orientierung bei Minderjährigen zu verändern. (…) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße von mindestens fünfhundert Euro geahndet werden.« Sogenannte »Konversionstherapien«, so Beck, bewirkten ein »erhebliches gesundheitliches Risiko«. Als Folge solcher Behandlungen seien Ängste, soziale Isolation, Depressionen und eine erhöhte Selbstmordrate wissenschaftlich nachgewiesen.

Davon, dass Homosexualität sehr oft dieselben Folgen hat: nämlich Ängste, soziale Isolation, Depressionen und eine erhöhte Selbstmordrate, hat Beck offenbar noch nie etwas gehört. Auch scheint er noch nichts davon gehört zu haben, dass Folgeerkrankungen der Homosexualität zugleich deren Ursachen sein können. Ängste, soziale Isolation, Depressionen und eine erhöhte Selbstmordneigung können in die Homosexualität führen, weil diejenigen, die unter jenen Symptomen leiden, fruchtbarere Lebenswege als versperrt empfinden. In diesen vermutlich gar nicht so seltenen Fällen kann die der Homosexualität vorausgehende Grunderkrankung nicht nur behandelt werden – sie muss es sogar. Wem würde es schaden, wenn im Falle eines therapeutischen Erfolgs auch die homosexuelle Neigung verschwände? Volker Beck?

Das alles aber zu leugnen – und zwar unter Heranziehung »wissenschaftlicher« Argumente, wo  Lebenserfahrung und ein wenig Beobachtungsvermögen besser Bescheid wissen –, ist rücksichtslos und zynisch. Andererseits, von therapeutischer Selbstbestimmung durch Arzt und Patient muss Volker Beck dann doch etwas gehört haben. Weil es diese Selbstbestimmung gibt, die jede Einflussnahme von außen verbietet, und weil es nur im Falle von Minderjährigen Dritte gibt, die bei der Therapie ein Wörtchen mitzureden haben, nämlich die Eltern, setzt der Vorstoß auch bei Minderjährigen und bei Elternrechten an, über die sich unsere politische Klasse immer unverschämter hinwegsetzt – nicht nur mit Propaganda für Homosexualität in staatlichen Schulen, sondern inzwischen allerorten im öffentlichen Raum.

Letztlich sind die Grünen gegen jedes therapeutische Angebot, das eine Abwendung von Homosexualität zur Folge hat, und das seit vielen Jahren. Sie sind dagegen, dass Homosexuelle, die nicht homosexuell sein wollen, professionelle Hilfe finden. Jedes entsprechende Angebot wollen sie kappen. Und das bedeutet, dass die Grünen gegen die Selbstbestimmung Homosexueller sind, die nicht homosexuell sein wollen. Weil das nicht ihren politischen Interessen dient.

Im Mai 2009 fand in Marburg ein psychoanalytisch-seelsorgerischer Kongress statt. Die Veranstaltung selbst wäre nicht weiter beachtet worden, wenn nicht zwei Referenten an ihr teilgenommen hätten, die sich an jene Schar von Homosexuellen wenden, von der niemand weiß, wie groß sie eigentlich ist, und die unter ihrer Neigung – leidet. Das religiös grundierte Bemühen der damals auf dem Kongress vertretenen Therapeuten, sich dieses Leids anzunehmen und bei der Lösung des Knotens zu helfen, gehörte lediglich ins weitere Umfeld jener Tagung.

Dennoch war das für Homosexuellenverbände und Grüne Grund genug, mit Vorwürfen wie »Homophobie« und »Umpolerei« einen sechstausendköpfigen Demonstrationszug gegen den Kongress auf die Beine zu stellen. Auf Transparenten stand zu lesen: »Religion kann man heilen« und »Maria, hätt’st du abgetrieben, das wär’ uns erspart geblieben.« Offenbar glaubten die Demonstranten, mit ihrem Kampf gegen ein spezielles Therapieangebot auch die ihm zugrundeliegende Nachfrage aus der Welt schaffen zu müssen. Der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vom 24. Mai 2009 zufolge hatten sie für die Selbstbestimmung Homosexueller in Wahrheit rein gar nichts übrig.

Schon die Marburger Konstellation zeigte, wie ernst es die Homosexuellenbewegung meint. Nichts bringt die Funktionäre der gay liberation so sehr auf die Palme wie ein Vorbehalt gegen Homosexualität, womöglich auch noch in Verbindung mit einem christlichen Bekenntnis, auch dann, wenn es der Homosexuelle selbst ist, der den Vorbehalt äußert und das Bekenntnis ablegt. Jeder, der sich nicht zur glücklichen Bejahung eines »schwulen Lebens« durchringen kann, scheint für die Sachwalter der Emanzipation eine große Gefahr darzustellen. Die wenigen verständnisvollen Helfer, die sich noch seines Schicksals annehmen, können sie schon gar nicht dulden.

Die Homosexuellenvertreter haben mit sicherem Instinkt erkannt, dass an dieser Stelle ihr ureigenstes Geschäft bedroht ist. Das erklärt ihre heftige Reaktion. Sie sind nicht in der Lage, sich auf die Klientel zu beschränken, die gerne homosexuell ist und es für den Rest ihres Lebens bleiben möchte. Damit bestätigen sie freilich die krassesten Vorurteile gegen Homosexuelle. Sie bestätigen Ziehvater Krauses richtige Annahme, dass man sie politisch in Schach halten müsse, damit sie nicht durchdrehen. Erfolgstrunken wie sie sind, können sie es bei der Akzeptanz, die sie erreicht haben, einfach nicht bewenden lassen.

Die Vorkämpfer der Homosexuellen können nicht aufhören, bevor die Stimmung kippt, und müssen immer noch eins drauf setzen. Wie lange soll das so weitergehen? Bis niemand mehr Kinder bekommt? Bis man den normalen Leuten ihre Kinder wegnimmt, damit auch die Homosexuellen welche abkriegen? Ich behaupte, dass normale Leute eine sehr viel ausgeprägtere Fähigkeit beweisen, Homosexuelle in Ruhe zu lassen als umgekehrt. Woran liegt das? Es liegt an der fehlenden Zeugungsfähigkeit der Homosexuellen. Gefangen in ewiger Wiederholung des gleichgeschlechtlichen und darum folgenlosen Aktes, ausgeschlossen aus dem beruhigenden Kreislauf des Lebens, ist der Homosexuelle zu ewiger Unruhe verurteilt:

»Diese Unerreichbarkeit organischer Ziele, das heisst solcher die sich wenn erreicht in neue Ziele öffnen, gibt dem Verhalten des tragisch Gestellten zugleich die Hitzigkeit und die wühlende Unruhe, die rasche Enttäuschung und den unaufhörlichen Wechsel, die fanatische und die unzuverlässige Struktur, und, bei der constitutionellen Unfähigkeit, Möglichkeiten des Lebens, Leistens und Empfangens wirklich auszunützen und in sich umzusetzen, den reissenden, oberflächlichen, und treulosen Verbrauch aller jener Möglichkeiten, der wie Dilettantismus wirkt, ohne sich ganz mit diesem Begriff zu decken. Sie bewirkt das Rollenbedürfnis dessen, dem ›in seiner Haut nicht wol ist‹, die Kostümsucht und den unheimlichen Zug zum Spiegel und zur Camera, in dem der Drang zu gefallen, anzuziehen, zu gewinnen ja nur unter das fliehende Phantom eines geträumten nirgend vorhandenen ergänzenden Begegners gebunden ist; und sie bewirkt in vehementen Naturen einen ins Rasende gehenden Trieb nach Ausgleich des heimlichen Mangels …« (Rudolf Borchardt, Aufzeichnung Stefan George betreffend)

»Ausgleich des heimlichen Mangels«, das ist das Stichwort. Ich kann verstehen, dass Volker Beck sich in seiner verzweifelten Lage wünscht, dass alle so wären wie er. Niemand ist halt gern allein. Wünschen darf sich Volker Beck – wie jeder andere auch – alles Mögliche. Aber müssen sein Vorhaben auch diejenigen verteidigen, die gar nicht homosexuell sind? Muss unter dem Vorwand der Aidsprävention in aller Öffentlichkeit mit dem Foto von vier Kondomen für Homosexualität geworben werden (»Boygroup – mach’s mit«)? Die Abweichung von der immer noch wünschenswerten Norm wird mehr und mehr zu einem Popanz, den fast alle Politiker, Journalisten und sonstigen Vertreter der veröffentlichten Meinung heuchelnd herumreichen. Heuchelnd, weil es für ihre Akklamation inzwischen völlig unerheblich ist, ob sie privatim homosexuell sind oder nicht.

Für den Gesetzentwurf der Grünen zum Therapieverbot zeichnet außer Volker Beck u.a. auch Jerzy Montag verantwortlich, Bundestagsabgeordneter für Bündnis 90/Die Grünen und Sohn eines polnischen Juden. Montag, der sich als »religiös nicht gebunden« bezeichnet, tritt auch für eine strafrechtliche Liberalisierung der Geschwisterliebe ein (»Moralische Tabus und soziale Anstandsregeln dürfen nicht mit dem Strafrecht durchgesetzt werden«). Unter Berufung auf die Autonomie des Menschen spricht sich Montag im Bundestag auch für die Möglichkeit von Sterbehilfe aus.

Montag ist zweifacher Familienvater. Er wirkt weder homosexuell noch lebensmüde. Er wirkt auch nicht wie jemand, der sich über eine gegenseitige geschlechtliche Zuwendung seiner Kinder freuen würde. Er scheint zu der Art von Leuten zu gehören, die für andere alles mögliche verlangen, nicht aber für sich selbst (die Abtreibung lassen wir jetzt mal weg). Das mag altruistisch wirken. Auch dann, wenn das, was man für andere will, womöglich nicht nur nichts wert, sondern als »Ausfall an Gut« (Augustin) sogar schlecht ist.

Die Grünen haben der Finanzwirtschaft einen effektiven Trick abgeschaut: Sie privatisieren die politischen Profite der von ihnen beförderten Emanzipationsprozesse, und sie sozialisieren die seelischen und gesellschaftlichen Kosten. Sowas nannte man früher ein »doofes Spiel«. Ausgerechnet die Grünen machen dadurch auf sich aufmerksam, dass sie die Ökologie des Menschen am rücksichtslosesten verraten. Wenn es nach ihnen geht, sollen wir uns einerseits austoben und (dafür?) andererseits früher sterben. Die vielbeschworene Autonomie ist gut genug fürs schnelle Sterben, aber nicht fürs gute Leben. Wer’s glaubt, der merkt meistens erst, wenn es zu spät ist, dass er die Kosten dieses systematischen Betrugs mitträgt.

Es verging kaum ein halbes Jahr nach dem Ende der hoch wogenden Missbrauchsdebatte, da sich Ole von Beust mit seinem neunzehnjährigen Lustknaben in der Öffentlichkeit zeigte und niemand etwas dabei fand. Wo es nur geht, werden die Homosexuellen in dem irrigen Glauben bestärkt, dass sie für ihr Lebensglück weniger Verantwortung trügen als andere. Als ob Homosexuelle das, was andere Leute aus eigener Kraft leisten müssen, der Gesellschaft abverlangen dürften. Die Forderung nach einem Adoptionsrecht »für« Homosexuelle, nach einem Recht, das es für niemanden sonst gibt, bestärkt sie in diesem Irrglauben. Und auch die liberale Öffentlichkeit möchte sich die beruhigenden Fiktionen ihres ach so guten Willens nicht kaputtmachen lassen.

Wenn insbesondere die nichthomosexuellen Verteidiger der Homosexualität einen Homosexuellen treffen, der nicht gern homosexuell ist, sind sie nur peinlich berührt: »Was hat er bloß für ein Problem? Was mag ihm fehlen? Wir sind doch glücklich für ihn!« In einer derart düsteren Lage geht es darum, wie Martin Mosebach (nicht speziell zu unserem Thema) sagte, »ein Gefühl für die Vorläufigkeit unserer Umstände zu entwickeln, zu lernen, sie als Übergangsphase zu begreifen«. Früher oder später wird die aggressive Unduldsamkeit emanzipationssüchtiger Homosexueller, die niemals genug kriegen, eine Reaktion provozieren, welche sie in ihren Vorurteilen gegen die »homophobe« Mehrheitsgesellschaft bestätigen könnte. Sofern diese Reaktion bloß verächtlich ausfiele, würde die Sache noch einmal harmlos abgelaufen sein. Einstweilen hoffe ich auf irgendeine Lage, in der wir wieder mehr dafür tun, Kinder zu bekommen, und mehr darauf achten, dass auch unsere Kinder eines fernen Tages gerne Kinder bekommen.

Das von den Grünen ersonnene Therapieverbot ist übrigens menschenverachtend, um einen inflationären Vorwurf der political correctness ausnahmsweise auf einen Fall anzuwenden, dem er angemessen ist.

Der totale Staat der SPD

Alexander Kissler über das neue Buch von Kenneth Minouge

Der Cicero-Redakteur Alexander Kissler weist in seinem aktuellen Beitrag für Cicero online, »Der totale Staat. Wie die SPD aus Bürgern Antragsteller macht«, auf das neue Buch von Kenneth Minogue (Die demokratische Sklavenmentalität) hin, das soeben in der Edition Sonderwege bei Manuscriptum erschienen ist. Kissler wendet sich kritisch gegen den ausufernden Wohlfahrts-Etatismsus, der von den großen Parteien CDU und SPD gefördert wird. Es droht der totale Staat, der aus der Sozialkasse bezahlt wird:

»Laut Minogue kann die ›Abhängigkeit von Sozialleistungen‹ dazu beitragen, aus freien Individuen Knechte des Systems zu machen. Seit Beginn des 20. Jahrhunderts werde die Gesellschaft als eine ›Vereinigung hilfsbedürftiger Menschen‹ angesehen, ›deren Notlagen und Leiden durch die Macht des Staates kuriert werden müssen. (…) Moralische Handlungsfähigkeit wird dadurch untergraben, dass Regierungen die Aufgaben übernehmen, die die Individuen einst selbst wahrzunehmen pflegten.‹ (…)

Damit wird der Zivilgesellschaft, die auf die Freiheitsrechte des Individuums angewiesen ist, Stück um Stück der Boden entzogen. Der Staat benennt alle Mängel und stellt alle Lösungsmittel bereit. Wo der Staat einen Mangel sieht, muss es einen geben, und wo der Staat die Achseln zuckt, da kann kein Mangel sein. Der Staat ist zuständig für Wohl und Wehe in jeder Lebenslage, das Individuum darf sich zurückziehen in die Kapsel des Privatvergnügens. So verliert Demokratie ihr Subjekt, den Demos, das Volk. Es gibt nur Antragsteller, die sich an den Staat wenden, wenn es zwickt oder zwackt, und es gibt eine staatliche Herrscherklasse, die unentwegt zuteilt, verteilt, umverteilt.«

Totalitarismus im Hosenanzug

Carl Schmitt und Ernst Forsthoff lassen grüßen: Feminismus und Frauenquote höhlen systematisch das Privatrecht aus. Noch scheint eine Quote, die zur »Homo-Ehe« nötigt, ausgeschlossen zu sein. Sie ist in der gegenwärtigen Politik aber schon angelegt.

Ein Gastbeitrag von Timotheus Kiesow

Der totale Staat trägt Uniform, Stiefel und marschiert im Gleichschritt durch die Straßen, jedenfalls in unserer Vorstellung. Er kann aber auch anders, auf hohen Absätzen daherkommen, im Hosenanzug, mit einem rosaroten Seidenschal. Dann sieht sein Werkzeug zwar freundlicher aus als eine Luger oder eine Kalaschnikow, eher wie eine Nagelfeile.

Im Prinzip stellt er aber das Gleiche damit an. Der totale Staat zerstört die Grenze zwischen der öffentlichen und der privaten Sphäre, die wichtigste Grenze in der abendländischen Zivilisation. So handhabt er auch die Frauenquote, er überträgt die Gleichbehandlung der Geschlechter, einen öffentlich-rechtlichen Grundsatz, auf private Rechtsverhältnisse. Damit stellt er die Vertragsfreiheit in Frage und untergräbt er die Privatautonomie.

Schon als der totale Staat gegen Ende der Weimarer Republik zum Thema der politischen Debatte wurde, ging es nicht um sichtbare Gewaltausübung oder Verfolgung. Es ging um Finanzausgleich, öffentliche Wohlfahrt und andere Überdehnungen der staatlichen Macht, die aus der totalen Mobilmachung im Krieg übernommen worden waren. Der Staatsrechtler Carl Schmitt schrieb 1931 über die »Wendung zum totalen Staat«, die Unterscheidung zwischen Staat und Gesellschaft gelte nicht mehr für das 20. Jahrhundert. Er schrieb es damals durchaus noch bedauernd, denn er wollte dem Staat eine eigene Sphäre des Politischen sichern.

Zur Jahreswende 1933 lobte Schmitt den »stato totalitario« des Faschismus dafür, dass er sich seine Macht nicht »unter irgendwelchen Stichworten, Liberalismus, Rechtsstaat, oder wie man es nennen will«, vermiesen lasse: »Ein solcher Staat kann Freund und Feind unterscheiden.« Wie gut er das konnte, sollte die weitere Entwicklung zeigen. Mit seiner Feinderklärung machte der Staat auch vor dem Privaten nicht mehr Halt, vor Käufer und Verkäufer nicht, nicht vor Arbeitnehmer und Arbeitgeber, ja, nicht einmal vor Gatte und Gattin.

Noch im selben Jahr 1933 spann der Verwaltungsrechtler Ernst Forsthoff die Anregungen seines Lehrers zur Skizze Der totale Staat weiter. Damit wollte er dem Nationalsozialismus die Grundzüge einer Verwaltungsform zeigen, mit der die Kommunen ihrer Autonomie beraubt und vollends dem Staat eingegliedert werden konnten. Wie bei Schmitt ist der »Feind« hier die »Gesellschaft«, die nach dem negativen Prinzip der Freiheit, »des Leben und Leben-Lassens« verfahre. Wirtschaft und Kultur, die nun dem totalen Staat unterstünden, sollten am besten von Kommissaren bestimmt werden, die zwar nach Gutdünken, aber doch im Sinne des Staates entscheiden würden.

Man muss Forsthoff zugutehalten, dass er zugleich mit der Grundlegung des totalen Staates dessen Kritik lieferte. An die nationalbolschewistischen, revolutionären Kreise in der NSDAP richtete er die Warnung, man dürfe Totalität nicht so verstehen, »als werde jetzt der Staat dazu übergehen, alle sozialen Lebensvorgänge schematisch zu reglementieren.« Nach dem Zweiten Weltkrieg arbeitete Forsthoff seine vergangene, totalitäre Polemik gegen den Rechtsstaat auf. Er verteidigte nun den Rechtsstaat gegen den Sozialstaat und prägte ein Begriffspaar, das die wichtigste politische Debatte der Bundesrepublik bestimmen sollte.

Der Rechtsstaat, so lässt sich Forsthoffs Position auf den Punkt bringen, das ist der Staat, der die Grenze zwischen privater Gesellschaft und öffentlichem Staat unangetastet lässt. Der Sozialstaat dagegen ist der totale Staat im menschenfreundlichen Gewand, er greift den Bürgern ins Eigentum und stört sie in der Ausübung ihrer Vertragsfreiheit. Und zwar, indem er den Grundrechten eine Drittwirkung aufs Private zuspricht. Die Grundrechte schützen nicht mehr (nur) den Staatsbürger vor staatlichen Eingriffen in seine Freiheit, sie verpflichten in erster Linie den Privatbürger gegenüber seinen Mitmenschen. Und der Staat wacht mit seinem Gewaltmonopol darüber, dass die Bürger untereinander die Grundrechte einhalten.

Das Recht auf Gleichbehandlung ist ursprünglich eine Forderung an den Staat, bei Gerichtsprozessen oder Wahlen keinen Unterschied zwischen Mann und Frau zu machen. Von feministischen Interessengruppen auf den Kopf gestellt, sieht es heute aus wie die Pflicht des Staates, Mann und Frau im Privatleben gleichzustellen. So widerspricht das Grundrecht mit Drittwirkung der Vertragsfreiheit, die in unserer Zivilisation grundsätzlich für private Rechtsverhältnisse gilt. Wen ich einstelle, an wen ich eine Wohnung vermiete, wen ich heirate, das ist mir überlassen – und nicht dem Inhaber des Gewaltmonopols. Mein Haus ist ebenso wie meine Firma mein privates Eigentum, mache ich davon Gebrauch, ist es mein gutes Recht, nach selbst gesetzten Kriterien zu diskriminieren.

Dass die Frauenquote gegen das Privateigentum gerichtet ist und damit gegen das Privatleben im Allgemeinen, lässt sich zunächst nicht leicht erkennen, weil sie von oben nach unten durchgesetzt wird. Die Stufenlogik ihrer Durchsetzung funktioniert – nach der neuen Richtlinie der Europäischen Kommission – wie folgt. Erstens: Der Staat behandelt Mann und Frau in der Öffentlichkeit gleich. Zweitens: Öffentliche Unternehmen müssen bis zum Jahre 2018 eine Frauenquote von 40 Prozent in Aufsichtsräten erreichen, weil sie Vorbilder sind für (drittens:) börsennotierte Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten und mehr als 50 Millionen Euro Umsatz im Jahr, die die Frauenquote bis zum Jahre 2020 erreichen müssen.

Wie auf einer Hängeleiter führen die Stufen herab vom Öffentlichen ins Private. Kleine und mittelständische Unternehmen sind zwar noch ausgenommen von der Quote, aber nicht weil die Quotenmacher etwa Respekt vor deren Privatautonomie hätten. Die Quote ist einfach noch nicht so tief herabgestiegen. In der glücklichen Zukunft sollen die weiblichen Vorstände, die von den weiblichen Aufsichtsräten ernannt worden sind, »auch sogenannte Ausstrahlungseffekte« auf »mittlere und kleinere Unternehmen« ausüben, wie Jutta Allmendinger, die Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin, im Interview mit dem Deutschlandradio unumwunden zugibt.

Bei börsennotierten Unternehmen fällt der Eingriff ins Eigentum nicht so auf, sie werden wegen ihrer Größe und ihrer vielen anonymen Eigentümer irgendwie als öffentliche Anstalten wahrgenommen. Aber nicht alles, was eine verwickelte Personalstruktur hat und mehrere Stockwerke und Gänge mit Büroräumen sein eigen nennt, ist schon öffentlich. Auch ein Unternehmen, das auf dem deutschen Leitindex für Aktien Dax gelistet ist, hat Eigentümer, die Aktionäre – und nur die dürfen darüber entscheiden, ob eine Frauenquote im Aufsichtsrat erwünscht ist.

Wie im totalen Staat des Carl Schmitt steht auch zu Beginn der Frauenquote eine Feinderklärung. Lange bevor der Staat der EU beginnen konnte, das Privatleben der Bürger nach der Unterscheidung zwischen Mann und Frau schematisch zu reglementieren, erklärte der Feminismus den Mann zum Feind. Wie schrieb doch Alice Schwarzer 1991 zum Geschlechterkampf zwischen Mann und Frau: »Die Propagierung des weiblichen Masochismus durch Männer ist ein Angriff, durch Frauen ist es Kollaboration mit dem Feind.« Der Mann ist der Feind, die Frau in seinem Bett eine Kollaborateurin. Der Feminismus ist vor allem die Ideologie der lesbischen Frau, wie Volker Zastrow 2006 in seinem Essay-Klassiker Gender. Politische Geschlechtsumwandlung schön herausgearbeitet hat.

Und diese Ideologie hat die Machtfülle eines superstaatlichen Kommissariats, mit langer Hand gestrickte Netzwerke und den Zeitgeist auf ihrer Seite. Die gesamte Debatte befindet sich schon diesseits der Frauenquote.

Während die Bundesministerin für Arbeit und Soziales das Diktat der EU-Kommissarin Viviane Reding stützt, will die Familienministerin die Flexi-Quote mit selbstgesetzten Unternehmenszielen, weil sie dagegen weniger Widerstand erwartet. Die Bundeskanzlerin lässt ihren Regierungssprecher ausrichten, Frauenquoten seien nationales Terrain, während ein Hamburger Gesetzesentwurf zur Frauenquote, der der EU-Richtlinie zum Verwechseln ähnelt, nach einem Spaziergang durch den Bundesrat schon auf die Zustimmung des Bundestages wartet. Selbst die liberale Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hat der gesetzlichen Frauenquote nur ihre Hoffnung auf eine quotenmäßige Selbstregulierung der Unternehmen entgegenzusetzen.

Die männlichen Gegner der Quote argumentieren mit Kreide im Mund, die Frauenquote werde der weiblichen Sache auf Dauer nur schaden. Ob die Frauenquote überhaupt rechtmäßig ist, ob sie nicht nur durch rechtliche Anpassungen und eine fragwürdige Interpretation des Grundgesetzes legal gemacht werden kann, sondern ob sie vielmehr legitim ist – das ist schon gar kein Thema mehr! Warum soll die Quote dann eigentlich nur für die Arbeit gelten, nicht auch für alle anderen privaten Verhältnisse, etwa für die Ehe? Wenn die erste von zwei Schwestern einen Mann geheiratet hat, müsste die zweite dann nicht eine Frau heiraten müssen, um das schwache Geschlecht nicht zu diskriminieren?

Die Frauenquote ist totalitär. Sie ist es aber nicht, weil sie mit biologischen Argumenten Politik betreibt, wie der Geschlechterforscher Gerhard Amendt in seiner Abrechnung Frauenquoten – Quotenfrauen vermutet. Sie ist totalitär, weil sie vom öffentlichen Recht her das Private aushöhlt. Das Privatrecht ist aber seit römischen Zeiten das wichtigere Recht. Denn vom Privaten, von unten nach oben bauen sich auch die öffentlichen Einrichtungen auf. Nicht von oben nach unten, wie Kommissare es schon immer haben wollten.