Schlagwort-Archiv: Feminismus

Hurra, wir werden weniger!

»Schiffe haben Lust zu verschwinden«, heißt es irgendwo bei Ernst Bloch. Da sind sie nicht die einzigen. Das vom Bundesforschungsministerium organisierte »Wissenschaftsjahr 2013« firmiert unter der Parole »Die demographische Chance«. Die gefeierte »Chance« besteht nicht etwa in einer glücklichen Gelegenheit kollektiven Wachsens und Gedeihens. Nein, es geht um den Rückbau des Volkes oder mindestens um seinen Umbau in Bevölkerung. Deshalb, um des völkischen Verschwindens willen, gibt es nichts Willkommeneres als den demographischen Wandel. Keine euphemistische Volte ist dem alt und ungelenk gewordenen Zeitgeist zu halsbrecherisch, wenn es darum geht, seinen überlebten Markenkern zu retten: die ichsüchtige Aufkündigung des genealogischen Zusammenhangs, in den jedes menschliche Leben seit Menschengedenken eingebettet war und ist. Es lebe die bestenfalls egozentrische, notfalls neurotische, in jedem Fall marktkonforme Selbstverwirklichung!

Fällig wäre dagegen eine Bankrotterklärung jener Generation, die in den 70er, 80er und 90er Jahren die Zeugung mit Bedacht verweigert und das Problem des Kindermangels von der sonst so großzügig geübten Gesellschaftskritik ausgenommen hat. Was fällt uns heute als Antwort auf die fehlenden Kinder ein? Basisrente, »altersgerechtes« Wohnen für gehobene Einkommensklassen, lukrative Bewirtschaftung der pensionierten Konsumentengruppen; für den minderbemittelten Rest Altenpflege zu Dumpingpreisen in Osteuropa, und wenn auch das zu teuer oder zu mühsam werden sollte – Sterbehilfe. Ansonsten immer verrücktere Formen individualistischer Separation, während Single-Haushalte zumindest in den Großstädten bald unbezahlbar werden dürften. Dieselbe Generation, die dem Recht auf Abtreibung und auf massenhafte, künstliche Empfängnisverhütung weltanschaulichen Rang verleiht, lässt sich ihre Deutungsmacht trotz offenkundigen Versagens auch im Siechtum nicht entreißen: »Wir leben länger. Wir werden weniger. Wir werden vielfältiger.« (Wissenschaftsjahr 2013)

Jahrzehntelang lang wurde die Sorge über den Geburtenrückgang der völkischen Schmuddelecke überlassen, zugleich aber die Verantwortung des deutschen Volkes für die nationalsozialistischen Verbrechen und ihre Folgen auf alle künftigen Generationen ausgedehnt. Was dieses Versprechen wert ist, sehen wir am Umgang mit dem Demographie-Problem: nämlich nichts. Als es dann endlich (endlich!) für eine Umkehr scheinbar zu spät war, wurde das Thema doch noch entdeckt und die Erkenntnis der Not mit der frechen Lüge weggewischt, der Wandel sei unumkehrbar. Emanzipierte Schwule und führende Single-Frauen sind allemal mehr Wert als deutsche Kinder, auch wenn es ohne deutsche Kinder mangels muslimischer Hilfsbereitschaft auf lange Sicht weder emanzipierte Schwule noch führende Single-Frauen geben könnte. Die Rettung, woher auch immer, soll trotzdem von den Immigranten kommen, sofern man sie nur gut integriert. Je teurer und je schwieriger ihre Integration gerät, desto besser: Die latent antisemitische und rechtsradikale indigene Bevölkerung kann man mit dem stellenintensiven Kampf gegen Rechts umso härter disziplinieren und umso gründlicher umerziehen, je mehr sie sich wehren sollte. Die Wertfrage ist ja bereits geklärt: »Deutschland stirbt aus, wir klatschen Applaus.«

Einmal mehr fällt es schwer, sich nicht in Ironie und Zynismus zu flüchten. Aber den liefert ja schon das Bundesforschungsministerium frei Haus. Und nirgends wäre Ironie unangemessener als gegenüber der demographischen Entwicklung. Wäre es auch nur hier und da erwünscht, auf die greifbaren Ursachen der Entwicklung – auf Abtreibung, Empfängnisverhütung, Feminismus, Konsumismus, Zerstörung der Familie – hinzuweisen, würde sofort deutlich werden, wie viel zur Besserung der Lage auch heute noch getan werden könnte – und in Zukunft erst recht. Bis es soweit ist, freue ich mich über den leider einzigen Familienvater in meinem Freundeskreis – einen biologischen Mann –, der mit seiner eigenen, von ihm geliebten und ihm selbst angetrauten biologischen Frau das dritte gewollte, gemeinsame und natürlich gezeugte Kind erwartet: Eine inzwischen beinahe altmodische, womöglich schon reaktionäre, auf jeden Fall aber sehr gesunde Lebensform. Und die einzige mit Zukunft. – Für das Wahre, Schöne und Gute!

Apropos Indien

Tagelang regten sich unsere Gouvernanten vom Rundfunk über die millionenfache Abtreibung indischer Mädchen nach entsprechender vorgeburtlicher Diagnostik auf. Die millionenfache Abtreibung indischer Mädchen finden sie schlimm. Ich auch. Diese Abtreibungen seien, so heißt es, der einzige Ausweg armer Familien, die sich im Falle einer späteren Verheiratung ihrer Tochter die teure Mitgift nicht leisten könnten. Bei diesen Krokodilstränen geht es unseren Gouvernanten aber nicht um die toten Kinder, sondern darum, den westlichen Feminismus (= Frauenarbeit + Kinderlosigkeit) nach Indien zu exportieren, wozu sie das Abtreibungsproblem als ein zuverlässiges Indiz für die Unterdrückung der indischen Frau als solcher ausgeben.

Dabei sind die Kosten für die Verheiratung der Töchter eine Ausgabe, der zumeist Einnahmen durch die Heirat von Söhnen gegenüberstehen. Sie sind also Teil eines transgeschlechtlichen und transgenerationellen Wirtschaftskreislaufs, der freilich unter den Bedingungen der Modernisierung – der Selbstständigkeit und Berufstätigkeit von Frauen – ins Stocken gerät. Wie das genealogische Prinzip überhaupt. Frauen, die nicht heiraten, schwächen den Heiratsmarkt genauso wie Frauen, die gar nicht erst geboren werden. Oder wie Männer, die keine Frauen zur Familiengründung finden, weil die lieber arbeiten gehen. Folglich könnte es sein, dass die Emanzipation die Sache schlimmer macht. Dieses neu entstandene, künstliche Problem kann aber aus deutscher und europäischer Quotensicht nur durch noch mehr Frauenselbstständigkeit und Frauenberufstätigkeit gelöst werden. Damit diese Perspektive keinen Schaden leidet, sollen wir über Indien nur das vermeintlich Wesentliche erfahren. Und tatsächlich bestätigte schließlich ein Experte für die indische Gesellschaft im Interview zähneknirschend die pauschale These von der landesweiten Unterdrückung der Frau. Seine vergeblichen Differenzierungsversuche stellte er brav ein.

Die Tatsache, dass bei uns Mädchen und Jungen millionenfach abgetrieben werden, wurde gar nicht erst angesprochen. Was in Indien für ein Zeichen von Rückständigkeit gilt, dient bei uns der Emanzipation der Frau und wird unter Fortschrittskosten verbucht. Aber wer soll diesen Fortschritt eigentlich genießen, wenn das Gebären von Kindern – diese natürliche Produktion von Ungleichheit – schon fast reaktionär ist?