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Volker Beck dreht durch

Die Grünen auf dem Weg zur Zwangshomosexualität

Zum Thema Homosexualität bemerkte mein Ziehvater in den späten siebziger Jahren: »Erst war es verboten, dann war es erlaubt, und wenn es Pflicht wird, wandere ich aus.«  Ich wunderte mich damals ein wenig über diese Drohung, aber Ziehvater Krause hatte die Entwicklung durchaus richtig erkannt. Die Grünen glauben vermutlich, der Homosexualität als Pflichtübung jetzt ein gutes Stück näher gerückt zu sein. Mit Volker Beck an der Spitze fordern sie ein Verbot von Therapien, die homosexuellen Minderjährigen helfen könnten, ihre Orientierung zu ändern.

In dem entsprechenden Gesetzentwurf heißt es: »Ordnungswidrig handelt, wer berufs- oder gewerbsmäßig Therapien anbietet oder durchführt, die das Ziel haben, die sexuelle Orientierung bei Minderjährigen zu verändern. (…) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße von mindestens fünfhundert Euro geahndet werden.« Sogenannte »Konversionstherapien«, so Beck, bewirkten ein »erhebliches gesundheitliches Risiko«. Als Folge solcher Behandlungen seien Ängste, soziale Isolation, Depressionen und eine erhöhte Selbstmordrate wissenschaftlich nachgewiesen.

Davon, dass Homosexualität sehr oft dieselben Folgen hat: nämlich Ängste, soziale Isolation, Depressionen und eine erhöhte Selbstmordrate, hat Beck offenbar noch nie etwas gehört. Auch scheint er noch nichts davon gehört zu haben, dass Folgeerkrankungen der Homosexualität zugleich deren Ursachen sein können. Ängste, soziale Isolation, Depressionen und eine erhöhte Selbstmordneigung können in die Homosexualität führen, weil diejenigen, die unter jenen Symptomen leiden, fruchtbarere Lebenswege als versperrt empfinden. In diesen vermutlich gar nicht so seltenen Fällen kann die der Homosexualität vorausgehende Grunderkrankung nicht nur behandelt werden – sie muss es sogar. Wem würde es schaden, wenn im Falle eines therapeutischen Erfolgs auch die homosexuelle Neigung verschwände? Volker Beck?

Das alles aber zu leugnen – und zwar unter Heranziehung »wissenschaftlicher« Argumente, wo  Lebenserfahrung und ein wenig Beobachtungsvermögen besser Bescheid wissen –, ist rücksichtslos und zynisch. Andererseits, von therapeutischer Selbstbestimmung durch Arzt und Patient muss Volker Beck dann doch etwas gehört haben. Weil es diese Selbstbestimmung gibt, die jede Einflussnahme von außen verbietet, und weil es nur im Falle von Minderjährigen Dritte gibt, die bei der Therapie ein Wörtchen mitzureden haben, nämlich die Eltern, setzt der Vorstoß auch bei Minderjährigen und bei Elternrechten an, über die sich unsere politische Klasse immer unverschämter hinwegsetzt – nicht nur mit Propaganda für Homosexualität in staatlichen Schulen, sondern inzwischen allerorten im öffentlichen Raum.

Letztlich sind die Grünen gegen jedes therapeutische Angebot, das eine Abwendung von Homosexualität zur Folge hat, und das seit vielen Jahren. Sie sind dagegen, dass Homosexuelle, die nicht homosexuell sein wollen, professionelle Hilfe finden. Jedes entsprechende Angebot wollen sie kappen. Und das bedeutet, dass die Grünen gegen die Selbstbestimmung Homosexueller sind, die nicht homosexuell sein wollen. Weil das nicht ihren politischen Interessen dient.

Im Mai 2009 fand in Marburg ein psychoanalytisch-seelsorgerischer Kongress statt. Die Veranstaltung selbst wäre nicht weiter beachtet worden, wenn nicht zwei Referenten an ihr teilgenommen hätten, die sich an jene Schar von Homosexuellen wenden, von der niemand weiß, wie groß sie eigentlich ist, und die unter ihrer Neigung – leidet. Das religiös grundierte Bemühen der damals auf dem Kongress vertretenen Therapeuten, sich dieses Leids anzunehmen und bei der Lösung des Knotens zu helfen, gehörte lediglich ins weitere Umfeld jener Tagung.

Dennoch war das für Homosexuellenverbände und Grüne Grund genug, mit Vorwürfen wie »Homophobie« und »Umpolerei« einen sechstausendköpfigen Demonstrationszug gegen den Kongress auf die Beine zu stellen. Auf Transparenten stand zu lesen: »Religion kann man heilen« und »Maria, hätt’st du abgetrieben, das wär’ uns erspart geblieben.« Offenbar glaubten die Demonstranten, mit ihrem Kampf gegen ein spezielles Therapieangebot auch die ihm zugrundeliegende Nachfrage aus der Welt schaffen zu müssen. Der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vom 24. Mai 2009 zufolge hatten sie für die Selbstbestimmung Homosexueller in Wahrheit rein gar nichts übrig.

Schon die Marburger Konstellation zeigte, wie ernst es die Homosexuellenbewegung meint. Nichts bringt die Funktionäre der gay liberation so sehr auf die Palme wie ein Vorbehalt gegen Homosexualität, womöglich auch noch in Verbindung mit einem christlichen Bekenntnis, auch dann, wenn es der Homosexuelle selbst ist, der den Vorbehalt äußert und das Bekenntnis ablegt. Jeder, der sich nicht zur glücklichen Bejahung eines »schwulen Lebens« durchringen kann, scheint für die Sachwalter der Emanzipation eine große Gefahr darzustellen. Die wenigen verständnisvollen Helfer, die sich noch seines Schicksals annehmen, können sie schon gar nicht dulden.

Die Homosexuellenvertreter haben mit sicherem Instinkt erkannt, dass an dieser Stelle ihr ureigenstes Geschäft bedroht ist. Das erklärt ihre heftige Reaktion. Sie sind nicht in der Lage, sich auf die Klientel zu beschränken, die gerne homosexuell ist und es für den Rest ihres Lebens bleiben möchte. Damit bestätigen sie freilich die krassesten Vorurteile gegen Homosexuelle. Sie bestätigen Ziehvater Krauses richtige Annahme, dass man sie politisch in Schach halten müsse, damit sie nicht durchdrehen. Erfolgstrunken wie sie sind, können sie es bei der Akzeptanz, die sie erreicht haben, einfach nicht bewenden lassen.

Die Vorkämpfer der Homosexuellen können nicht aufhören, bevor die Stimmung kippt, und müssen immer noch eins drauf setzen. Wie lange soll das so weitergehen? Bis niemand mehr Kinder bekommt? Bis man den normalen Leuten ihre Kinder wegnimmt, damit auch die Homosexuellen welche abkriegen? Ich behaupte, dass normale Leute eine sehr viel ausgeprägtere Fähigkeit beweisen, Homosexuelle in Ruhe zu lassen als umgekehrt. Woran liegt das? Es liegt an der fehlenden Zeugungsfähigkeit der Homosexuellen. Gefangen in ewiger Wiederholung des gleichgeschlechtlichen und darum folgenlosen Aktes, ausgeschlossen aus dem beruhigenden Kreislauf des Lebens, ist der Homosexuelle zu ewiger Unruhe verurteilt:

»Diese Unerreichbarkeit organischer Ziele, das heisst solcher die sich wenn erreicht in neue Ziele öffnen, gibt dem Verhalten des tragisch Gestellten zugleich die Hitzigkeit und die wühlende Unruhe, die rasche Enttäuschung und den unaufhörlichen Wechsel, die fanatische und die unzuverlässige Struktur, und, bei der constitutionellen Unfähigkeit, Möglichkeiten des Lebens, Leistens und Empfangens wirklich auszunützen und in sich umzusetzen, den reissenden, oberflächlichen, und treulosen Verbrauch aller jener Möglichkeiten, der wie Dilettantismus wirkt, ohne sich ganz mit diesem Begriff zu decken. Sie bewirkt das Rollenbedürfnis dessen, dem ›in seiner Haut nicht wol ist‹, die Kostümsucht und den unheimlichen Zug zum Spiegel und zur Camera, in dem der Drang zu gefallen, anzuziehen, zu gewinnen ja nur unter das fliehende Phantom eines geträumten nirgend vorhandenen ergänzenden Begegners gebunden ist; und sie bewirkt in vehementen Naturen einen ins Rasende gehenden Trieb nach Ausgleich des heimlichen Mangels …« (Rudolf Borchardt, Aufzeichnung Stefan George betreffend)

»Ausgleich des heimlichen Mangels«, das ist das Stichwort. Ich kann verstehen, dass Volker Beck sich in seiner verzweifelten Lage wünscht, dass alle so wären wie er. Niemand ist halt gern allein. Wünschen darf sich Volker Beck – wie jeder andere auch – alles Mögliche. Aber müssen sein Vorhaben auch diejenigen verteidigen, die gar nicht homosexuell sind? Muss unter dem Vorwand der Aidsprävention in aller Öffentlichkeit mit dem Foto von vier Kondomen für Homosexualität geworben werden (»Boygroup – mach’s mit«)? Die Abweichung von der immer noch wünschenswerten Norm wird mehr und mehr zu einem Popanz, den fast alle Politiker, Journalisten und sonstigen Vertreter der veröffentlichten Meinung heuchelnd herumreichen. Heuchelnd, weil es für ihre Akklamation inzwischen völlig unerheblich ist, ob sie privatim homosexuell sind oder nicht.

Für den Gesetzentwurf der Grünen zum Therapieverbot zeichnet außer Volker Beck u.a. auch Jerzy Montag verantwortlich, Bundestagsabgeordneter für Bündnis 90/Die Grünen und Sohn eines polnischen Juden. Montag, der sich als »religiös nicht gebunden« bezeichnet, tritt auch für eine strafrechtliche Liberalisierung der Geschwisterliebe ein (»Moralische Tabus und soziale Anstandsregeln dürfen nicht mit dem Strafrecht durchgesetzt werden«). Unter Berufung auf die Autonomie des Menschen spricht sich Montag im Bundestag auch für die Möglichkeit von Sterbehilfe aus.

Montag ist zweifacher Familienvater. Er wirkt weder homosexuell noch lebensmüde. Er wirkt auch nicht wie jemand, der sich über eine gegenseitige geschlechtliche Zuwendung seiner Kinder freuen würde. Er scheint zu der Art von Leuten zu gehören, die für andere alles mögliche verlangen, nicht aber für sich selbst (die Abtreibung lassen wir jetzt mal weg). Das mag altruistisch wirken. Auch dann, wenn das, was man für andere will, womöglich nicht nur nichts wert, sondern als »Ausfall an Gut« (Augustin) sogar schlecht ist.

Die Grünen haben der Finanzwirtschaft einen effektiven Trick abgeschaut: Sie privatisieren die politischen Profite der von ihnen beförderten Emanzipationsprozesse, und sie sozialisieren die seelischen und gesellschaftlichen Kosten. Sowas nannte man früher ein »doofes Spiel«. Ausgerechnet die Grünen machen dadurch auf sich aufmerksam, dass sie die Ökologie des Menschen am rücksichtslosesten verraten. Wenn es nach ihnen geht, sollen wir uns einerseits austoben und (dafür?) andererseits früher sterben. Die vielbeschworene Autonomie ist gut genug fürs schnelle Sterben, aber nicht fürs gute Leben. Wer’s glaubt, der merkt meistens erst, wenn es zu spät ist, dass er die Kosten dieses systematischen Betrugs mitträgt.

Es verging kaum ein halbes Jahr nach dem Ende der hoch wogenden Missbrauchsdebatte, da sich Ole von Beust mit seinem neunzehnjährigen Lustknaben in der Öffentlichkeit zeigte und niemand etwas dabei fand. Wo es nur geht, werden die Homosexuellen in dem irrigen Glauben bestärkt, dass sie für ihr Lebensglück weniger Verantwortung trügen als andere. Als ob Homosexuelle das, was andere Leute aus eigener Kraft leisten müssen, der Gesellschaft abverlangen dürften. Die Forderung nach einem Adoptionsrecht »für« Homosexuelle, nach einem Recht, das es für niemanden sonst gibt, bestärkt sie in diesem Irrglauben. Und auch die liberale Öffentlichkeit möchte sich die beruhigenden Fiktionen ihres ach so guten Willens nicht kaputtmachen lassen.

Wenn insbesondere die nichthomosexuellen Verteidiger der Homosexualität einen Homosexuellen treffen, der nicht gern homosexuell ist, sind sie nur peinlich berührt: »Was hat er bloß für ein Problem? Was mag ihm fehlen? Wir sind doch glücklich für ihn!« In einer derart düsteren Lage geht es darum, wie Martin Mosebach (nicht speziell zu unserem Thema) sagte, »ein Gefühl für die Vorläufigkeit unserer Umstände zu entwickeln, zu lernen, sie als Übergangsphase zu begreifen«. Früher oder später wird die aggressive Unduldsamkeit emanzipationssüchtiger Homosexueller, die niemals genug kriegen, eine Reaktion provozieren, welche sie in ihren Vorurteilen gegen die »homophobe« Mehrheitsgesellschaft bestätigen könnte. Sofern diese Reaktion bloß verächtlich ausfiele, würde die Sache noch einmal harmlos abgelaufen sein. Einstweilen hoffe ich auf irgendeine Lage, in der wir wieder mehr dafür tun, Kinder zu bekommen, und mehr darauf achten, dass auch unsere Kinder eines fernen Tages gerne Kinder bekommen.

Das von den Grünen ersonnene Therapieverbot ist übrigens menschenverachtend, um einen inflationären Vorwurf der political correctness ausnahmsweise auf einen Fall anzuwenden, dem er angemessen ist.

Hl. Augustin und der Feminismus – Werkstattbericht Nr. 3

130409 Porträtfoto LASSAHNDie Produktion des ersten Bandes unserer Trilogie Frau ohne Welt, über die ich bereits hier und hier berichtet habe, steht kurz vor dem Abschluss. Heute haben der Autor (der bekannte Schriftsteller und Liedermacher Bernhard Lassahn, siehe links) und ich zwei Zitate für die vordere Umschlagklappe ausgewählt. Das erste Zitat stand bereits seit längerem fest. Und zwar deshalb, weil es die Bedeutung des Titels auf die denkbar kürzeste und amüsanteste Weise erläutert. Bei diesem Zitat handelt es sich um einen Witz, und der geht so: Er: »Schatz, wollen wir nicht eine Weltreise machen?« / Sie: »Ach nein, ich möchte lieber woanders hin.« Um es vorweg zu sagen: Dieser Witz ist nicht etwa »frauenfeindlich«, sondern männermelancholisch. Es ist ein Witz über die Melancholie des Mannes, der die Frau nicht mehr erreicht. Mit gar nichts. Nicht einmal damit, dass er ihr die ganze Welt zu Füßen legt.

Als Lassahn und ich über dieses Zitat sprachen, fiel mir ein, dass ich doch gestern Abend endlich meine Lektüre der Confessiones Augustins fortgesetzt und dort einen Gedanken wiedergefunden hatte, den ich von Robert Spaemann kenne. Beide Zitate, fanden Lassahn und ich, sagen uns zusammen noch sehr viel mehr als sie uns einzeln sagen. Ich zitiere den ganzen Passus (III. Buch, 7,12), und ich hebe den entscheidenden Satz Augustins durch Fettung hervor:

130409+COVER+Frau+ohne+Welt+I+klein»Denn von etwas anderem, das wirklich seiend wäre, wußte ich nicht. Und eine spitze Geistelei verführte mich, den albernen Betrügern beizufallen, wenn ich gefragt wurde: Woher das Übel?; ob denn Gott wie Körper gestaltlich umschrieben werde?; ob er Haare und Nägel habe?; ob auch die für Gerechte gelten könnten, die in Vielweiberei lebten, Menschen töteten und Tieropfer darbrachten? Unkundig des Sachverhalts, ließ ich mich verblüffen, und während ich abkam von der Wahrheit, glaubte ich ihr entgegenzuwandeln. Denn ich wußte nicht, daß das Übel weiter nichts ist als Ausfall an Gut, der schließlich bis zum Nichtsein führt. Wie auch hätte ich das einsehen sollen, wo doch mein Sehen mit den Augen nur bis zu Körpern, mein Sehen mit dem Geiste nur bis zu Einbildungen reichte?«

Der Feminismus ist Fehlen des Guten, und er führt »schließlich bis zum Nichtsein«, insbesondere zum Nichtsein von Kindern, zum Nichtsein von menschlichem Leben. Da die Kritik am Feminismus aber nicht frauenfeindlich ist (was uns die meisten Medien nichtsdestotrotz einzureden versuchen), habe ich mich in einem ebenfalls heute entstandenen Anzeigentext für Lassahns Buch direkt an die Frauen gewandt, indem ich für die liebevolle Verbindung von Frauen und Männern, also gegen ihre konkurrenzsüchtige Trennung plädiert habe:

»Männer wacht auf! Frauen, wacht auf! Eine tiefe Unversöhnlichkeit ist zwischen die Geschlechter gekommen. Der Feminismus ist der Feind der Liebe und der Feind der Familie. Er nimmt den Männern die Frauen und die Kinder weg. Er nimmt den Frauen die Welt weg, in der allein sie blühen können.

Der Feminismus macht die Männer schlecht. Erst in der Sprache, dann in der Wirklichkeit – als ginge es auch ohne sie. Ist das gut? Nein! Feminismus ist Apartheid. Feminismus ist ein totalitärer Umbau der Normalität. Feminismus ist ein Krieg, der verleugnet wird.

Wer an den Feminismus glaubt, wird unglücklich. Frauen dürfen abtreiben und sich scheiden lassen. Männer dürfen zahlen. Oder der Staat zahlt, den auch die Männer bezahlen. Was haben Frauen und Männer davon? Nichts! Der Mann wird einsam, und die Frau wird zur ›Frau ohne Welt‹.

Bernhard Lassahn beschreibt all das heiter, gelassen, traurig, amüsiert und scharfsinnig. Lassahn sagt: ›Es gibt ein Leben nach dem Feminismus. Und dieses Leben beginnt mit der Liebe. Denn mit der Liebe beginnt die Zukunft.‹«

Ich füge hinzu: Und das Gute!

Kleinfamilie

Am Gesundbrunnen steigt eine Kleinfamilie in die S-Bahn Richtung Friedrichstraße. Die Eltern sind etwa Mitte Dreißig, der Sohn mag vier oder fünf Jahre alt sein. Er geht an der Hand seines Vaters. Es ist kein Zweifel, dass sie Vater und Sohn sind. Zunächst stehen sie ein wenig unschlüssig im Gang neben der freien Sitzbank, während sich die Frau sofort neben mir niederlässt. Nachdem ich meine Beine eingezogen habe, fordert der Vater seinen Sohn auf, durchzurutschen. Nun sitzt der Junge mir gegenüber am Fenster. Der Vater sitzt neben ihm und gegenüber der mutmaßlichen Mutter, die, wie gesagt, neben mir sitzt. Der Vater fragt den Jungen: »Sitzt Du gut? Ist alles in Ordnung? Ist Dir auch nicht kalt?« Er spricht, als wäre er die Mutter, während die mutmaßliche Mutter schweigt. Der Junge kaut an einem Vollkornbrötchen, das er mit beiden Händen festhält. Er schiebt seine Hüfte vor, bis er fast liegt, und schüttelt stumm den Kopf. Nach den Fragen seines Vaters sagen die Eltern nichts mehr. Auch miteinander sprechen sie nicht. Der Junge blickt mich an. Die Frau hält ihren Kopf leicht nach rechts gedreht, als würde sie an dem Mann vorbei den Gang hinunterschauen. Den Jungen kann sie in dieser Position vermutlich nicht einmal aus dem Augenwinkel sehen. Der Junge kaut, bis er sein Brötchen aufgegessen hat. Ab und zu sieht er mich wieder an, aber je öfter er das tut, desto deutlicher geht sein Blick ins Leere. Ich denke, vielleicht ist die Frau, die neben mir sitzt, gar nicht seine Mutter. In jedem Fall ist sie weit weg, denke ich, und der Vater neigt dazu, die Mutter zu ersetzen. Falls ihm das gelingt, hat der Junge bald nicht nur eine abwesende Mutter, sondern auch einen abwesenden Vater. Dann wird er nicht nur die Anwesenheit seiner Mutter vermissen, sondern auch die Anwesenheit seines Vaters, der damit beschäftigt ist, seine Mutter zu vertreten. Dann wird der Junge einen schweren Weg vor sich haben.

Über die Verwechslung von Innen und Außen

Ein beliebtes Klischee, das über die Emanzipation von Homosexuellen in Umlauf ist, lautet, sie habe die Erpressbarkeit abgeschafft. Welch ein Irrtum! Nichts ist wirklich neu, und nichts ist wirklich verschwunden. Die Dinge wechseln nur ihren Platz. Fast jeder ist entweder verwundbar oder erpressbar. Je höher die soziale Stellung, desto geringer die Verwundbarkeit. Aber desto höher die Erpressbarkeit. Erpressbar war früher, wer anders lebte, als er sprach. Erpressbar ist heute, wer anders spricht, als er lebt. Homosexualität ist keine private Neigung mehr. Sie konstituiere, so heißt es, nichts weniger als die »Identität« einer Person. Gemeint ist offenbar eine Identität von Innen und Außen. Früher war erpressbar, wer sein homosexuelles Privatleben hinter einer bürgerlichen »Fassade« verbarg. Wer heute dasselbe tut, riskiert immer noch viel. Der soziale Druck ist nicht verschwunden, er ist nur ein anderer geworden. Er zwingt dazu, die äußere Lebensführung bis hin zu Meinungen, Ansichten und Überzeugungen etwa vorhandenen homosexuellen Neigungen anzupassen.

Der Satz, »das Private ist politisch«, bedeutet zuallererst, dass das Private nicht mehr privat sein darf. Dass es keinen Grund mehr geben soll, öffentliche Rolle und private Neigungen voneinander zu trennen, oder aus Interesse am Gemeinwohl von der privaten Befindlichkeit abzusehen, oder die traditionelle Familie für unübertrefflich wertvoll zu erklären, während sie einem persönlich verschlossen bleibt. Wenn einer das tut, kann seine Neigung ihn immer noch zu Fall bringen. Eine um Jahrzehnte zurückliegende falsche Geste genügt. Würde er dagegen schweigen, ließe man ihn in Ruhe. Aber er spricht. Das ist die Stunde seiner Erpresser. Sie denunzieren sein Votum, etwa für die Weitergabe des Lebens, als Verrat an den Homosexuellen und vor allem natürlich als Verrat an seiner eigenen Homosexualität. Als ob sie allen gehören würde. Und als ob ein allgemeines Votum für die Weitergabe des Lebens nicht viel wichtiger wäre als die private Neigung.

Betrachten wir die Sache formal: Wer sich identitätspolitisch nicht in die Zange nehmen lässt, wer sich nicht zwingen lässt, mit sich identisch zu sein, wer innen und außen lebt oder oben und unten, wer die Spannung hält, der ist genauso gefährdet wie früher. Ganz gleich, wie die Homosexualität öffentlich bewertet wird – die Erpresser haben immer noch zu tun. Jedenfalls dann, wenn die Pflicht zur Ehrlichkeit (»outing«) höher bewertet wird als die Pflicht zur Wahrhaftigkeit. Im Rahmen der Wahrhaftigkeit wäre die Person mehr als ihre sexuelle Neigung. Sie dürfte den höheren Wert der allgemeinen Ordnung des Lebens auch dann anerkennen, wenn die Verfasstheit ihres eigenen Lebens dieser Ordnung nicht entsprechend würde. Anders gesagt: Eine Frau, die abgetrieben hat, müsste noch lange nicht für ein generelles Abtreibungsrecht sein. Genau das wird aber von ihr verlangt. Mehr noch, es wird als selbstverständlich auch um den Preis vorausgesetzt, dass sie sich und anderen Frauen den Schmerz ausredet.

Für die Ordnung des Lebens kann nur derjenige eintreten, der mit bestimmten eigenen Abweichungen diskret umgeht. Wenn das Heuchelei ist, dann brauchen wir eben manchmal die Heuchelei, um die Kluft zwischen individueller Lebensführung und (vernünftiger) sozialer Anforderung zu überbrücken. Wo die soziale Anforderung, Homosexualität wenigstens zu verbergen, wichtiger ist, kann die Heuchelei ein notwendiges Übel zur Aufrechterhaltung der Hierarchie des Lebens sein. Das Halten der Spannung zwischen Innen und Außen muss dann stillschweigend toleriert werden wie das Schließen der Tür und das Zuziehen der Gardine. Heimlichkeit kann man schlecht öffentlich rechtfertigen. Der letzte Grund für die sinnvolle Spannung zwischen Innen und Außen liegt aber darin, dass – im Falle von Homosexualität – die manifeste Andersartigkeit auch durch noch so wohlwollende Bewertungen und noch so weitgehende Gleichstellungsmaßnahmen nicht aus der Welt geschafft werden kann.

Über die Verwechslung von Fremdem und Eigenem

130302 shutterstock_129669434 kleinEin Adoptionsrecht »für« gleichgeschlechtliche Paare verspricht, ein scheinbar unvermeidliches Defizit ausgleichen zu können. Aber woher kommt der Ausgleich? Von verschiedengeschlechtlichen Eltern, die selbstgezeugte Kinder haben und sie zur Adoption freigeben. 2011 wurden in Deutschland nur 4.060 Adoptivkinder vermittelt. Auf ein Adoptivkind kommen zehn Bewerber. Wir haben keinen Mangel an »Eltern«, sondern an Kindern. Eine Homosexuellenquote im Adoptionsrecht (darum geht es doch wohl – um Zuteilung unabhängig von Eignung) würde pro Jahr schätzungsweise 200 gleichgeschlechtliche Paare mit Kindern versorgen. Tendenz fallend, weil die Zahl der Adoptionen seit 20 Jahren fällt. Und dafür der ganze Aufwand?

Schauen wir nach Wien. Dort kümmert sich die Grundrechteagentur der EU nicht nur um Homosexuellen-, sondern auch um Kinderrechte. Je mehr Schutz von Kinderrechten, desto mehr Kindesentzug im Falle »ungeeigneter« Eltern. So könnte die Adoptionsrate steigen, während die Geburtenrate weiter fällt. Der Staat verspricht alles Mögliche, was ihm nicht gehört, warum nicht auch Kinder? Die Umverteilung zu Lasten Dritter funktioniert im Namen der Gerechtigkeit wie ein Naturgesetz. Neu wäre nur seine Anwendung auf knappes Humankapital. Jeglicher Widerstand kann als »Homophobie« kampflos besiegt werden.

Wovon sprach die CSU dieser Tage, als sie von der Weitergabe des Lebens hätte sprechen müssen? Vom »Leben mit Kindern«. Da haben wir ihn, wo wir ihn am wenigsten vermuteten, den vorauseilenden Abschied vom genealogischen Prinzip.

Hurra, wir werden weniger!

»Schiffe haben Lust zu verschwinden«, heißt es irgendwo bei Ernst Bloch. Da sind sie nicht die einzigen. Das vom Bundesforschungsministerium organisierte »Wissenschaftsjahr 2013« firmiert unter der Parole »Die demographische Chance«. Die gefeierte »Chance« besteht nicht etwa in einer glücklichen Gelegenheit kollektiven Wachsens und Gedeihens. Nein, es geht um den Rückbau des Volkes oder mindestens um seinen Umbau in Bevölkerung. Deshalb, um des völkischen Verschwindens willen, gibt es nichts Willkommeneres als den demographischen Wandel. Keine euphemistische Volte ist dem alt und ungelenk gewordenen Zeitgeist zu halsbrecherisch, wenn es darum geht, seinen überlebten Markenkern zu retten: die ichsüchtige Aufkündigung des genealogischen Zusammenhangs, in den jedes menschliche Leben seit Menschengedenken eingebettet war und ist. Es lebe die bestenfalls egozentrische, notfalls neurotische, in jedem Fall marktkonforme Selbstverwirklichung!

Fällig wäre dagegen eine Bankrotterklärung jener Generation, die in den 70er, 80er und 90er Jahren die Zeugung mit Bedacht verweigert und das Problem des Kindermangels von der sonst so großzügig geübten Gesellschaftskritik ausgenommen hat. Was fällt uns heute als Antwort auf die fehlenden Kinder ein? Basisrente, »altersgerechtes« Wohnen für gehobene Einkommensklassen, lukrative Bewirtschaftung der pensionierten Konsumentengruppen; für den minderbemittelten Rest Altenpflege zu Dumpingpreisen in Osteuropa, und wenn auch das zu teuer oder zu mühsam werden sollte – Sterbehilfe. Ansonsten immer verrücktere Formen individualistischer Separation, während Single-Haushalte zumindest in den Großstädten bald unbezahlbar werden dürften. Dieselbe Generation, die dem Recht auf Abtreibung und auf massenhafte, künstliche Empfängnisverhütung weltanschaulichen Rang verleiht, lässt sich ihre Deutungsmacht trotz offenkundigen Versagens auch im Siechtum nicht entreißen: »Wir leben länger. Wir werden weniger. Wir werden vielfältiger.« (Wissenschaftsjahr 2013)

Jahrzehntelang lang wurde die Sorge über den Geburtenrückgang der völkischen Schmuddelecke überlassen, zugleich aber die Verantwortung des deutschen Volkes für die nationalsozialistischen Verbrechen und ihre Folgen auf alle künftigen Generationen ausgedehnt. Was dieses Versprechen wert ist, sehen wir am Umgang mit dem Demographie-Problem: nämlich nichts. Als es dann endlich (endlich!) für eine Umkehr scheinbar zu spät war, wurde das Thema doch noch entdeckt und die Erkenntnis der Not mit der frechen Lüge weggewischt, der Wandel sei unumkehrbar. Emanzipierte Schwule und führende Single-Frauen sind allemal mehr Wert als deutsche Kinder, auch wenn es ohne deutsche Kinder mangels muslimischer Hilfsbereitschaft auf lange Sicht weder emanzipierte Schwule noch führende Single-Frauen geben könnte. Die Rettung, woher auch immer, soll trotzdem von den Immigranten kommen, sofern man sie nur gut integriert. Je teurer und je schwieriger ihre Integration gerät, desto besser: Die latent antisemitische und rechtsradikale indigene Bevölkerung kann man mit dem stellenintensiven Kampf gegen Rechts umso härter disziplinieren und umso gründlicher umerziehen, je mehr sie sich wehren sollte. Die Wertfrage ist ja bereits geklärt: »Deutschland stirbt aus, wir klatschen Applaus.«

Einmal mehr fällt es schwer, sich nicht in Ironie und Zynismus zu flüchten. Aber den liefert ja schon das Bundesforschungsministerium frei Haus. Und nirgends wäre Ironie unangemessener als gegenüber der demographischen Entwicklung. Wäre es auch nur hier und da erwünscht, auf die greifbaren Ursachen der Entwicklung – auf Abtreibung, Empfängnisverhütung, Feminismus, Konsumismus, Zerstörung der Familie – hinzuweisen, würde sofort deutlich werden, wie viel zur Besserung der Lage auch heute noch getan werden könnte – und in Zukunft erst recht. Bis es soweit ist, freue ich mich über den leider einzigen Familienvater in meinem Freundeskreis – einen biologischen Mann –, der mit seiner eigenen, von ihm geliebten und ihm selbst angetrauten biologischen Frau das dritte gewollte, gemeinsame und natürlich gezeugte Kind erwartet: Eine inzwischen beinahe altmodische, womöglich schon reaktionäre, auf jeden Fall aber sehr gesunde Lebensform. Und die einzige mit Zukunft. – Für das Wahre, Schöne und Gute!