Kategorie-Archiv: Demographie

Der Streit um das Kind. Nachtrag zur Sterbehilfe Nr. 8

Zwei Frauen, die unter einem Dach wohnen, sind fast gleichzeitg Mütter geworden. Eines der beiden Kinder stirbt. Daraufhin streiten sie sich um das verbliebene Kind, denn die eine Mutter hat ihr totes Kind mit dem lebendigen Kind der anderen Mutter vertauscht. Sie streiten sich sogar vor dem König, wem das lebendige Kind gehöre. Der König befiehlt: »Bringt mir ein Schwert. Haut das Kind in zwei Teile und gebt die eine Hälfte der einen und die andere Hälfte der anderen.« Die wahre Mutter will lieber auf das Kind verzichten und es der anderen überlassen, als es sterben zu sehen. Die falsche Mutter sagt: »Es gehöre weder mir noch dir, sondern es werde geteilt.« Der König sagt: »Gebt jener das Kind und tötet es nicht, denn sie ist seine Mutter!«

Ist zu teilen nicht gerechter, als nicht zu teilen? Nein, das weise Urteil König Salomos ist gerecht, weil mit der Tötung des verbliebenen Kindes die irdische Gerechtigkeit für dieses Mal aufhören würde. Auch die irdische Freiheit hört mit dem Tod auf, weshalb der »freie« Tod keine Realisierung von Freiheit sein kann. Die obige Geschichte lehrt auch dies: Je lauter und je häufiger die Forderung nach »Gerechtigkeit« erhoben wird, desto mehr Neid könnte im Spiel sein. Ich habe auf diese Gefahr bereits im Zusammenhang eines Adoptionsrechtes »für« (!) gleichgeschlechtliche Paare hingewiesen, denn ein solches Recht würde bedeuten, das Vermittlungswesen am Wohl künftiger Adoptiveltern auszurichten und nicht am maximalen Wohl des Adoptivkindes.

Die Motive, die den aktuellen Umbau vorantreiben, werden nur im Rahmen des großen Trends zur Trennung von Sexualität und Fortpflanzung verständlich. Warum natürlich tun, was man für viel Geld und mit viel Verwaltungsaufwand auch künstlich tun kann? Warum rechtzeitig natürlich befruchten, wenn es künstlich auch später noch geht? Gleichgeschlechtliche Paare erfinden plötzlich ein »Recht auf Kinder«, das es bislang für niemanden gab, das aber in Zeiten steigender Rentenempfänger und sinkender Renten eine bessere Altersversorgung versprechen könnte. Schließlich geht mit dem Erbanspruch eines Adoptivkindes auch eine Fürsorgepflicht zum Wohle der Adoptiveltern einher.

Natürliche Zeugung, Kindesaufzucht durch eigene Mütter oder die Pflege kranker und alter Familienangehöriger bringen dem Staat kurzfristig kein Geld ein, weil sie kein Geld kosten und  keine Steuern generieren. Sie »kosten« den Staat vielmehr jene Steuern, die ihm mangels Einnahmen (Lohn oder Gehalt) und mangels Ausgaben (Einkauf teurer Leistungen) entgehen. Für die Staatskasse wäre es besser, Angehörige würden arbeiten gehen und ihre Dienstleistung einkaufen. Ein gesundes Familienleben schmälert das Bruttosozialprodukt, es ist Steuerhinterziehung! Auf einmal scheint die natürliche, kostenlose Sorge das Gemeinwesen zu schädigen, statt dass sie es erhalten würde. Der finanziell überforderte Sozialstaat bedroht am Ende die tätige Liebe. Eine immer materialistischere Weltsicht bemächtigt sich der Fragen von Leben und Tod. Das wäre ein Thema für Die Linke und für Die Grünen.

In dem Sterbehilfe-Buch von Axel Bauer und mir heißt es in meinem Beitrag Wir sollen sterben wollen auf Seite 63: »Bevor unsere kurzatmige, neue Welt nichts kostet und also auch nichts einbringt, soll sie lieber noch kurzatmiger werden. Das erinnert an das russische Märchen, in welchem die Fee einem Bauern einen Wunsch erfüllen möchte – mit der einzigen Bedingung, dass dieser Wunsch seinem Nachbarn doppelt erfüllt werde. Der Bauer überlegt und sagt: ›Stich mir ein Auge aus.‹ Wir aber, die wir nach Sterbehilfe verlangen, antworten der Fee: ›Stich mir ins Herz‹, damit auch die Frau des Nachbarn ins Grab sinke.«

Die Tatsache, dass ich dem anderen »erlaube zu gehen, wann er will«, erleichtert mich um meine eigene Lebens-und Todesangst, weil ich nun weiß, dass auch ich »gehen darf, wann ich will«. Zu meiner eigenen Beruhigung schicke ich den anderen vor. Das erklärt, warum so viele Leute das Recht auf Sterbehilfe nicht für sich, sondern ganz selbstlos »nur für die anderen« fordern. Die obige Geschichte aus dem Alten Testament wirft ein ähnlich beunruhigendes Licht auf das Abtreibungsproblem. Warum erwartet unser Zeitgeist von Frauen, die aus welchen Gründen auch immer abgetrieben haben, dass sie ganz allgemein »für Abtreibung« sind? Wie kann man überhaupt »für Abtreibung« als alltägliche, jederzeit verfügbare »Problemlösung« sein? Wie konnte aus einer Ausnahme die Regel werden?

Pro Jahr kommt es in Deutschland zu rund 100.000 Abtreibungen. Im Adoptionswesen würde ein quotierter Anteil für gleichgeschlechtliche Paare bei rund 200 Kindern pro Jahr liegen (4.060 Adoptionen gab es im Jahre 2011 insgesamt!). Ein derart lärmender Streit um 200 Kinder, während die fünfhundertfache Zahl von Kindern mit wachsender Selbstverständlichkeit abgetrieben wird? Wir leben wahrlich in seltsamen Verhältnissen. Um auf die verborgene Analogie von Abtreibung und Sterbehilfe hinzuweisen: Welche Frauen beruhigt es in ihrer eigenen Not, wenn sie wissen, dass auch andere abtreiben? Dass sie, wenn andere auch künftig abtreiben, mit ihrer eigenen Abtreibung niemals allein sein werden? Damit kommen wir zurück zu den streitenden Frauen und König Salomo. Dort erträgt es die kinderlose Mutter in ihrer Trauer nicht, dass ihre Nebenfrau ihr Kind noch hat. Der Streit gipfelt darin, dass sie wünscht, dass König Salomo das Kind der anderen töten lasse und lieber keine von beiden ein Kind habe. Auch der böse Geist des russischen Bauern ist in der Geschichte aus dem 3. Buch der Könige mit enthalten. Wer aber fällt heute oder morgen Salomos weises Urteil?

Über die Verwechslung von Fremdem und Eigenem

130302 shutterstock_129669434 kleinEin Adoptionsrecht »für« gleichgeschlechtliche Paare verspricht, ein scheinbar unvermeidliches Defizit ausgleichen zu können. Aber woher kommt der Ausgleich? Von verschiedengeschlechtlichen Eltern, die selbstgezeugte Kinder haben und sie zur Adoption freigeben. 2011 wurden in Deutschland nur 4.060 Adoptivkinder vermittelt. Auf ein Adoptivkind kommen zehn Bewerber. Wir haben keinen Mangel an »Eltern«, sondern an Kindern. Eine Homosexuellenquote im Adoptionsrecht (darum geht es doch wohl – um Zuteilung unabhängig von Eignung) würde pro Jahr schätzungsweise 200 gleichgeschlechtliche Paare mit Kindern versorgen. Tendenz fallend, weil die Zahl der Adoptionen seit 20 Jahren fällt. Und dafür der ganze Aufwand?

Schauen wir nach Wien. Dort kümmert sich die Grundrechteagentur der EU nicht nur um Homosexuellen-, sondern auch um Kinderrechte. Je mehr Schutz von Kinderrechten, desto mehr Kindesentzug im Falle »ungeeigneter« Eltern. So könnte die Adoptionsrate steigen, während die Geburtenrate weiter fällt. Der Staat verspricht alles Mögliche, was ihm nicht gehört, warum nicht auch Kinder? Die Umverteilung zu Lasten Dritter funktioniert im Namen der Gerechtigkeit wie ein Naturgesetz. Neu wäre nur seine Anwendung auf knappes Humankapital. Jeglicher Widerstand kann als »Homophobie« kampflos besiegt werden.

Wovon sprach die CSU dieser Tage, als sie von der Weitergabe des Lebens hätte sprechen müssen? Vom »Leben mit Kindern«. Da haben wir ihn, wo wir ihn am wenigsten vermuteten, den vorauseilenden Abschied vom genealogischen Prinzip.

Hurra, wir werden weniger!

»Schiffe haben Lust zu verschwinden«, heißt es irgendwo bei Ernst Bloch. Da sind sie nicht die einzigen. Das vom Bundesforschungsministerium organisierte »Wissenschaftsjahr 2013« firmiert unter der Parole »Die demographische Chance«. Die gefeierte »Chance« besteht nicht etwa in einer glücklichen Gelegenheit kollektiven Wachsens und Gedeihens. Nein, es geht um den Rückbau des Volkes oder mindestens um seinen Umbau in Bevölkerung. Deshalb, um des völkischen Verschwindens willen, gibt es nichts Willkommeneres als den demographischen Wandel. Keine euphemistische Volte ist dem alt und ungelenk gewordenen Zeitgeist zu halsbrecherisch, wenn es darum geht, seinen überlebten Markenkern zu retten: die ichsüchtige Aufkündigung des genealogischen Zusammenhangs, in den jedes menschliche Leben seit Menschengedenken eingebettet war und ist. Es lebe die bestenfalls egozentrische, notfalls neurotische, in jedem Fall marktkonforme Selbstverwirklichung!

Fällig wäre dagegen eine Bankrotterklärung jener Generation, die in den 70er, 80er und 90er Jahren die Zeugung mit Bedacht verweigert und das Problem des Kindermangels von der sonst so großzügig geübten Gesellschaftskritik ausgenommen hat. Was fällt uns heute als Antwort auf die fehlenden Kinder ein? Basisrente, »altersgerechtes« Wohnen für gehobene Einkommensklassen, lukrative Bewirtschaftung der pensionierten Konsumentengruppen; für den minderbemittelten Rest Altenpflege zu Dumpingpreisen in Osteuropa, und wenn auch das zu teuer oder zu mühsam werden sollte – Sterbehilfe. Ansonsten immer verrücktere Formen individualistischer Separation, während Single-Haushalte zumindest in den Großstädten bald unbezahlbar werden dürften. Dieselbe Generation, die dem Recht auf Abtreibung und auf massenhafte, künstliche Empfängnisverhütung weltanschaulichen Rang verleiht, lässt sich ihre Deutungsmacht trotz offenkundigen Versagens auch im Siechtum nicht entreißen: »Wir leben länger. Wir werden weniger. Wir werden vielfältiger.« (Wissenschaftsjahr 2013)

Jahrzehntelang lang wurde die Sorge über den Geburtenrückgang der völkischen Schmuddelecke überlassen, zugleich aber die Verantwortung des deutschen Volkes für die nationalsozialistischen Verbrechen und ihre Folgen auf alle künftigen Generationen ausgedehnt. Was dieses Versprechen wert ist, sehen wir am Umgang mit dem Demographie-Problem: nämlich nichts. Als es dann endlich (endlich!) für eine Umkehr scheinbar zu spät war, wurde das Thema doch noch entdeckt und die Erkenntnis der Not mit der frechen Lüge weggewischt, der Wandel sei unumkehrbar. Emanzipierte Schwule und führende Single-Frauen sind allemal mehr Wert als deutsche Kinder, auch wenn es ohne deutsche Kinder mangels muslimischer Hilfsbereitschaft auf lange Sicht weder emanzipierte Schwule noch führende Single-Frauen geben könnte. Die Rettung, woher auch immer, soll trotzdem von den Immigranten kommen, sofern man sie nur gut integriert. Je teurer und je schwieriger ihre Integration gerät, desto besser: Die latent antisemitische und rechtsradikale indigene Bevölkerung kann man mit dem stellenintensiven Kampf gegen Rechts umso härter disziplinieren und umso gründlicher umerziehen, je mehr sie sich wehren sollte. Die Wertfrage ist ja bereits geklärt: »Deutschland stirbt aus, wir klatschen Applaus.«

Einmal mehr fällt es schwer, sich nicht in Ironie und Zynismus zu flüchten. Aber den liefert ja schon das Bundesforschungsministerium frei Haus. Und nirgends wäre Ironie unangemessener als gegenüber der demographischen Entwicklung. Wäre es auch nur hier und da erwünscht, auf die greifbaren Ursachen der Entwicklung – auf Abtreibung, Empfängnisverhütung, Feminismus, Konsumismus, Zerstörung der Familie – hinzuweisen, würde sofort deutlich werden, wie viel zur Besserung der Lage auch heute noch getan werden könnte – und in Zukunft erst recht. Bis es soweit ist, freue ich mich über den leider einzigen Familienvater in meinem Freundeskreis – einen biologischen Mann –, der mit seiner eigenen, von ihm geliebten und ihm selbst angetrauten biologischen Frau das dritte gewollte, gemeinsame und natürlich gezeugte Kind erwartet: Eine inzwischen beinahe altmodische, womöglich schon reaktionäre, auf jeden Fall aber sehr gesunde Lebensform. Und die einzige mit Zukunft. – Für das Wahre, Schöne und Gute!