»Erziehung ist Vorbild und Liebe, sonst nichts«

Kleinkinder, deren Mütter ganztags und aushäusig arbeiten gehen, werden um die emotionale Grundlage ihrer Entwicklung gebracht – mit fatalen Folgen. Bericht von einer iDAF-Konferenz in München

Kleine Kinder brauchen Zuwendung. Ihre Mütter befiehlt der Staat aber »in die Produktion«. Immer mehr Frauen gehorchen dieser neuen »Verhaltenslehre der Kälte«. Wo die Liebe fehlt, erleidet der Nachwuchs lebenslange psychische und physiologische Beschädigungen. Dieses alte Wissen bestätigte jetzt mit großer Einmütigkeit eine iDAF-Konferenz zum Thema »Bindung – Bildung – Gewaltprävention«. Die von Jürgen Liminski organisierte und moderierte Tagung des Instituts für Demographie, Allgemeinwohl und Familie e.V. mit rund 300 Teilnehmern fand am vergangenen Freitag im Haus der Hanns-Seidel-Stiftung in München statt. Christine Haderthauer (Bayerische Staatsministerin für Arbeit & Sozialordnung, Familie & Frauen) steuerte ein Grußwort bei. Das Programm der Tagung kann man hier nachlesen.

Eine steigende Zahl von Schülern schlägt ihre Mitschüler und Lehrer. Eine steigende Zahl von Schülern säuft, prügelt und erpresst. Sie prügelt mit einer Fühllosigkeit und Brutalität, die Staunen macht. Der Amoklauf ersetzt die Rauferei von einst, und das auch in den Ferien fortgesetzte Cybermobbing verdrängt den Wettbewerb um die besseren Noten. In dem neuen Ausmaß von Gewalt geht die Demokratie zur Tyrannis über. Kennzeichen dieses Übergangs sind schon bei Platon nicht nur die Söhne, die ihre Väter schlagen, sondern auch die Esel, die mitten auf der Straße stolzieren müssen.

Angesichts dieser Entwicklung wirkte es ein wenig überraschend, dass Peter Dathe, Präsident des bayerischen Landeskriminalamtes, in seinem Eröffnungsvortrag über Jugendgewalt in Bayern auf sinkende Kriminalitätszahlen verwies. Eine Bereinigung um den demografischen Faktor wollte er allerdings nicht einmal auf Nachfrage vornehmen. Auch wollte er nicht die Möglichkeit berücksichtigen, dass nicht die Taten selbst, sondern bloß die Anzeigen zurückgegangen sein könnten. Josef Kraus, Leiter eines Gymnasiums und Präsident des Deutschen Lehrerverbands, widersprach. Die tägliche Praxis zeige, dass die Anlässe schulischer Gewalt nichtiger werden und ihre Formen roher.

Die Alternative zur Aggression ist die Depression, die für Mitmenschen so bequeme Anspruchs- und Bedürfnislosigkeit. Dahinter verbirgt sich aber dieselbe emotionale Lähmung. Eine andere Alternative heißt »Sex oder Gewalt«. Spontane Gewaltausbrüche können innere Spannungen vorübergehend lösen, und insofern entsprechen sie strukturell der bindungslosen, promisken Sexualität, die ebenso viel Suchtgefahr birgt wie das überreaktive, leicht zur Gewohnheit werdende Zuschlagen. Wenn es um soziale und schulische Probleme von Kindern und Jugendlichen geht, um Lebensläufe, die im späteren Leben in kriminelle Karrieren übergehen können, gibt es eine Vielzahl von Lösungsansätzen. Den meisten von ihnen liegt der Gedanke zugrunde, dass man nie genug Geld ausgeben, also auch nie genug Geld einnehmen könne. Das ist reine Magie, aber eben deshalb ist sie auch sehr wirkmächtig. Viele beruhigt es offenbar ungemein, wenn sie das Fehlen von Krippen- und Kindergartenplätzen, von Erziehern, Lehrern, Psychologen und Sozialpädagogen beklagen. Und mehr Geld fordern.

Vertraut man dagegen dem überzeugenden Ergebnis der Münchener iDAF-Konferenz, dann wäre mehr Geld überhaupt nicht nötig, sondern nur eine sehr kostengünstige Rückkehr zu uraltem pädagogischem Basiswissen, vulgo Lebenserfahrung. Hirnforschung, Philosophie, Pädagogik und Psychotherapie sind sich vollkommen einig, dass die meisten Probleme von Kindern und Jugendlichen in unbewussten frühkindlichen Beschädigungen wegen fehlender oder gestörter Bindungen wurzeln, wobei die fehlende oder gestörte Mutterbindung die folgenschwerste ist. Oberarzt Karl Brisch stellte eine Formel auf, die er mit eindrucksvollen Videos aus der therapeutischen Praxis belegte: Gesicherte Bindung ermöglicht Weltbezug, nämlich Exploration. Gestörte Bindung dagegen bindet alle Aufmerksamkeit und zieht sie von der Außenwelt ab. Sie verhindert Weltbezug und Exploration. Der Hirnforscher Gerhard Roth beschrieb die entsprechenden physiologischen und chemischen Prozesse des Gehirns, in dem sich alle Erfahrungen ablagern, auch die vorgeburtlichen, als einen Wechsel von Cortisol- und Serotoninproduktion. Für den Stress brauchen wir das von der Amygdala ausgeschüttete Hormon Cortisol, zur Beruhigung das »Glückshormon« Serotonin. Cortisol- und Serotoninproduktion müssen einigermaßen ausgeglichen sein; ein negatives Serotoninsystem zieht eine defiziente Ausbildung des »Bindungshormons« Oxytocin nach sich. Schlimmstenfalls trifft ein hoher Cortisolspiegel auf viel Testosteron – das ist die Biochemie krimineller Gewalt.

Wenn die positive Bindungserfahrung fehlt, ist die Cortisol produzierende Amygdala überaktiv. Es entsteht ein ganzes Bündel von Problemen, wie Roth weiter ausführte, das besonders gut an ADHS-Kindern studiert werden kann. Die Hälfte aller ADHS-Kinder ist gewaltgefährdet, denn motorische Hyperaktivität geht häufig mit verringerter Affekt- und Impulskontrolle, mit einem Gefühl des Bedrohtseins, mit mangelnder Empathie und mit mangelndem Selbstwertgefühl einher. Eine günstige genetische Ausstattung kann die Ausprägung solcher Symptome deutlich vermindern. Wenn aber epigenetische Defizite und frühkindliche Traumatisierungen zusammenkommen, multipliziert das die negativen Auswirkungen im späteren Leben bis hin zur Psychopathologie. Notorische Gewalttäter haben meist mit tiefsitzenden Ausgrenzungs- und Beschämungserfahrungen zu kämpfen: »Hinter jeder zuschlagenden Faust steckt ein wimmerndes Herz.« Auffallend viele harte Jungs, die in kalifornischen Gefängnissen einsitzen, sind Bettnässer. Das Zuschlagen ist die Droge, die das verletzte Selbstwertgefühl kurzfristig beruhigt.

Ein Übermaß an Beschämung führt, wenn nicht in die Depression, zu aggressiver Gegenwehr. Aber eben nur ein Übermaß. Die hohe kulturelle Bedeutung der Scham ergibt sich, wie die Philosophin und Theologin Hanna Barbara Gerl-Falkovitz ausführte, aus der Uneinheitlichkeit des Menschen, aus seiner Zerrissenheit zwischen gattungshafter Animalität und Triebhaftigkeit einerseits und schutzbedürftiger Individualität andererseits: Wer nur als Gattungswesen behandelt wird – als ob er bloß die Summe seiner körperlichen Funktionen wäre –, der verliert das Gleichgewicht von Körper und Selbst. Die Triebe müssen vom Selbst kontrolliert und auf einer höheren Stufe integriert werden, um den Suchgefährdungen zu entgehen, die in ungebremster Sexualität und Gewalt schlummern. Das Selbst braucht Scham, um sich gegen die Impulse des Körpers zu imprägnieren. Scham integriert Seele und Körper. Scham schützt gegen Sucht.

Das geliebte Kind ist aber nicht nur besser vor den Abgründen des Lebens geschützt. Es hat auch mehr Kraft für das Gelingen. Gelingendes Leben setzt voraus, dass dieselben Kräfte, die ungehemmt in die Selbstzerstörung oder in die Zerstörung anderer führen, produktiv genutzt werden können: »Agape besiegt Eros, indem sie ihn erlöst.« (Denis de Rougemont) Das Gute ist in diesem Sinne viel weniger eine Frage der Moral als der Liebesfähigkeit – und damit der Liebeserfahrung. Dieses Wissen nützt nur nicht viel, wenn zu seiner Anwendung die emotionale Ausstattung fehlt. Es gibt eben Dinge, die der Mensch nicht von alleine kann. Ohne die Erfahrung elterlicher Liebe, ohne, dass sich die Persönlichkeit des Kindes im Zuge der »gemäßigten, liebevollen Beschämung durch die Eltern« (Gerl-Falkovitz) entwickelt hat, wird es dem späteren Erwachsenen schwerfallen, sich auf das schönste Versprechen irdischen Lebens zu verlassen: Dass Eros von Agape nicht mit Zwang oder Moral gefesselt werden muss, sondern mit Liebe besiegt werden kann. Genau hierauf zielen aber immer noch und weiterhin die Wünsche und Hoffnungen der Mehrheit aller jungen Leute: auf die stabile Liebesbeziehung und auf die Familie mit Kindern. Da kann die Politik noch so krampfhaft versuchen, mit Gendergetöse die Geschlechterrollen zu verwirren und den bindungsgestörten, marktflexiblen und sozialstaatsabhängigen Single als neues Vorbild zu verkaufen. Gewiss, es gibt keine perfekte Familie. Trotzdem ist die Familie die größte »therapeutische Kraft« in unserem Leben, wie der Erziehungswissenschaftler und Psychologe Albert Wunsch unter Berufung auf Jesper Juul betonte.

Politik und Medien arbeiten trotzdem ungerührt am Verfall und nicht an der Lebensfähigkeit der gezeugten, nicht gemachten Familie. Die allgemeine Fixierung auf das Negative verschärft die – relativ wenigen – Probleme. Die Fixierung auf das Negative führt von der gesunden Familie weg statt zu ihr hin. Die Fixierung auf das Negative bringt zum Beispiel ein Wort wie »Kinderarmut« in Umlauf. Das ist eine Diagnose, die uns einreden will, dass man den betroffenen Kindern nur ohne ihre Eltern helfen könnte. Wer »Kinderarmut« sagt, hat die Eltern schon entsorgt. Gewiss, zehn Prozent der Eltern kümmern sich gar nicht um ihre Kinder, und weitere zehn Prozent kümmern sich zu viel. Die materiell überversorgten, aber emotional verhungernden Kinder reicher Eltern zeigen, so Brisch, übrigens oft dieselben Symptome wie ihre Altersgenossen aus den unteren Problemschichten. »Diese 20 Prozent kosten 90 Prozent unserer Energie«, sagt Josef Kraus. Es geht gar nicht um Armut. Es geht um Liebe.

Weder der Staat im Allgemeinen, noch die Schule im Besonderen können das Versagen der Eltern kompensieren. Schon gar nicht, wenn die schulischen Leistungsanforderungen und die Autorität der Lehrer jahrzehntelang verteufelt wurden. Gerade sie müssten den Kindern die wichtige Möglichkeit geben, sich zu erproben, andernfalls der Weg in die Gewalt umso kürzer wird. Die Ganztagsschule raubt wertvolle, nämlich einzigartig liebevolle Elternzeit. Die Einheitsschule überfordert ein Drittel der Schüler und unterfordert ein anderes (Kraus). Dass egozentrische Eltern froh sind, ihre Kinder so viel wie möglich los zu sein, macht die Zugriffe des Staates keineswegs besser. Besser wäre es, er klopfte den Eltern auf die Finger. Denn weder die Ganztags- noch die Einheitsschule kann die spezifisch elterlichen Pflichten und Fähigkeiten ersetzen, an denen sich seit Pestalozzis Zeiten nichts geändert hat. Sei heißen »Zeit«, »Zuwendung« und »Zärtlichkeit«: »Erziehung ist Vorbild und Liebe, sonst nichts.«

Alle gute Psychologie und Pädagogik pfeift es wie Spatzen von den Dächern, dass Kinder vor allem in den ersten drei Jahren ihres Lebens geschützte Bindung brauchen. Welche Frau, fragte Albert Wunsch, würde sich für einen Mann entscheiden, der ihr als Ersatz für Liebe eng bemessene »quality time« anböte? Schon Jean Paul wusste: »Mit einer Kindheit voll Liebe kann man ein halbes Leben hindurch die kalte Welt aushalten.« Wir sind keine Ich-AGs. Wir sind nicht als Autisten geboren. Wer in seinem Inneren auf die Suche nach sich selbst geht, findet dort nicht viel. Das Ich ist nicht innerlich. Das Ich ist exzentrisch. »Unsere Mitte liegt in einem Du«, sagt Hanna Barbara Gerl-Falkovitz. Wir stehen fortwährend unter Spannung, weil wir unseren Selbstwert nicht aus uns selbst schöpfen können, sondern auf den Zuspruch anderer angewiesen sind. Einem Menschen, dem Bezogenheit und Bindung schwerfallen, fehlt es deshalb auch an positivem und stabilem Selbstwertgefühl. Wenn 55 bis 60 Prozent aller Kinder mit sicheren Bindungen aufwachsen (Brisch), dann kann man die anderen 40 bis 45 Prozent nicht als Ausnahmen abtun. Alle sind und bleiben bedürftig: »Niemand hat je genug bekommen, und wir geben auch nie genug« (Gerl-Falkovitz).

Umso wichtiger ist es, viel zu geben, vor allem Kleinkindern. Davon, ob sie genug Liebe bekommen haben, hängt in ihrem späteren Leben ihre Liebes- und Arbeitsfähigkeit ab, also alles. Auch das Arbeitsleben kommt übrigens nicht ohne geordnete und verlässliche Beziehungen aus, die schwerlich geordnet und verlässlich sein können, wenn im privaten Leben die Liebe fehlt oder gefehlt hat. Kleinkinder, die widersprüchlichen Impulsen ausgesetzt sind, erstarren. Andere, denen sich die Mutter entzieht, zeigen promiskuitives Verhalten. Sie bieten sich schlichtweg jedem an, der in ihre Nähe kommt, wenn auch nicht aus sexuellen Gründen – oder noch nicht. Schon Kleinkinder können die schrecklichsten, subjektiv niemals aufhörenden Ambivalenzen erleben, wenn ihre Eltern eine gestörte Beziehung zu ihnen unterhalten. Jedwede Gemeinschaft, die ihrer eigenen Zukunft lebt, weiß das. Trotzdem gibt sie möglichst viel Verantwortung den niemals perfekten Eltern, weil deren Liebe mehrheitlich instinktsicher, am wenigsten missbräuchlich und unersetzlich ist.

Während die klassische Familie immer mehr diffamiert wird, konfrontiert uns die demografische Krise mit wachsenden quantitativen und qualitativen Nachwuchsproblemen, die die Zuwanderung nicht lösen kann. Unser Staat ignoriert die demografische Krise ja nicht nur. Er verschärft sie, indem er daran arbeitet, Kleinkindern die mütterliche Liebe vorzuenthalten und bereits erwachsene Bürger bindungslos, krank und verrückt zu machen. Wenn die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung in ihrer Kampagne »Mach’s mit« oberflächlich für die Benutzung von Kondomen, tatsächlich aber für egozentrischen, bindungslosen Geschlechtsverkehr wirbt, wenn sie bundesweit nicht nur für schnellen Sex und Promiskuität, sondern auch für gestörte Beziehungen wirbt, in denen der double bind regiert und ein höchstens siebzehnjähriges Mädchen, das »es« angeblich »soft« will, mit düsterem Blick und bandgierten Fäusten droht, wenn also eine »Gesundheitszentrale« (dieser Hohn ist kaum zu überbieten) solche Kampagnen inszeniert, dann setzt sie nicht nur auf gestörte Beziehungen, sondern auch auf gestörte Persönlichkeiten.

Sex ohne Bindung reicht offenbar nicht. Es reicht offenbar nicht, dass es leichter ist, mit jemandem zu schlafen, als ihn nach seinem Namen zu fragen, wie Botho Strauß schon im Jahre 1989 in Über Liebe schrieb. Das birgt im Gegenteil die Gefahr, süchtig zu werden, vom verzweifelt Gesuchten ausgesaugt und zerstört zu werden. Wozu sollten wir uns unserer Begierde unterwerfen? Wozu sollten wir andere zu Objekten unserer Begierde machen? Warum wird gleichzeitig der harmloseste Flirt als »Sexismus« verteufelt? Wie dem auch sei, jene jungen Frauen, die sich massenhaft schlitzen, die sich tätowieren und piercen lassen, tun genau das, was die Bundesgesundheitszentrale offenbar von ihnen erwartet: Sie hassen statt zu lieben, vor allem sich selbst. Nach demselben Muster, das der Kodomwerbung zugrunde liegt, müsste die Bundeszentrale auch für Gewalt als Mittel der Konfliktlösung werben. Gewalt geht, genau wie Sex, aber im Unterschied zur Liebe, wunderbar schnell. Nach der zeitsparenden Triebabfuhr stünde der unverzüglichen Rückkehr an den Arbeitsplatz nichts im Wege.

Trotz der Verrücktheiten unserer Tage gehört zu der unumstößlichen Ordnung, in und von der wir leben, das gar nicht so neue Wissen darum, wie sich eine Vielzahl sozialer Probleme vermeiden ließe, mit denen Eltern und Lehrer zu kämpfen haben, bevor ihnen Polizisten, Gefängniswärter und Psychiater die schwersten Fälle abnehmen.  Wo Partnerschaftsprobleme künstlich gezüchtet werden, lassen Erziehungsprobleme nicht lange auf sich warten. Erziehungsprobleme führen wiederum zu Partnerschaftsproblemen. »Aus beidem zusammen entstehen Problemkinder, die mit Aggression oder Depression auf sich aufmerksam machen.« (Wunsch) Liebevolle Eltern sind unersetzlich (Kinder hören zwar nicht auf sie, machen ihnen aber alles nach). Die meisten Eltern sind liebevoll, und viele andere könnten es mit ein paar guten Ratschlägen sowie mit weniger Zeit- und Konsumdruck bestimmt leicht werden.

Die drei Imperative für elterliche Liebe und Erziehung lauten »wohlwollend«, »vorlebend« und »konsequent«: »Konsequenz ohne Wohlwollen ist Härte, Konsequenz ohne Vorleben ist Lüge, und Wohlwollen ohne Konsequenz ist Feigheit.« (Albert Wunsch) Wer von den eigenen Eltern weder geliebt noch gefordert wird, sucht sich Anerkennung und Herausforderung bei der »Peergroup«, im politischen Extremismus oder im Islam. Ein grausamer Staat, der alles daran setzt, ganzen Generationen die frühkindliche Mutterliebe zu entziehen, überschätzt seine Möglichkeiten seelischer Reparatur. Um von dem Zynismus nicht zu reden, der sehenden Auges die Reparaturbedürftigkeit riskiert. Der Staat muss selbst für eine Betreuung sorgen, die im Vergleich zur Mutter- und Elternliebe immer nur minderwertig sein kann. Später muss er unendlich viel Aufwand in die oft vergeblichen Heilungsversuche frühkindlicher Beschädigungen stecken. Der einzig gesunde Betreuungsschlüssel, der nach dem spontan zum »Bindungsguru« ernannten Karl Brisch bei höchstens drei Kindern durch einen Erwachsenen liegt, ist in großem Stil unbezahlbar. Selbst wenn er bezahlbar wäre, könnte er nicht die jahrelange Bindung an dieselbe Bezugsperson sicherstellen. Dabei wäre alles so einfach: Liebe, Liebe und nochmals Liebe. »Emotionen sind die Architekten des Gehirns«, zitierte Jürgen Liminski den amerikanischen Bindungsforscher und Kinderarzt Stanley Greenspan. Mit Liebe geht alles. Ohne Liebe geht nichts.